Ahrkreis. Zu einer Exkursion der besonderen Art hatte der Verein Heimatwurzeln eingeladen: Auf ein Miscanthus-Feld im Ahrtal. Ziel der Veranstaltung war es, die Rolle dieser besonderen Pflanze im Einsatz gegen Starkregen und Bodenerosion zu verdeutlichen. Das Feld wurde quer zum Gefälle angelegt, eine gezielte Maßnahme, um im Falle von Starkregen das Abfließen großer Wassermassen zu bremsen und sie auf natürliche Weise im Boden zurückzuhalten. Agrarisch ist dieser Ansatz ebenso einfach wie wirkungsvoll: Das schnell wachsende Schilfgras, auch Miscanthus genannt, bildet dichte Bestände und einen starken Wurzelteppich, der den Boden stabilisiert und hangabwärts fließendes Wasser bremst. Somit wird auch die Erosion von gutem Ackerboden verhindert und hangabwärts liegende Orte und Felder vor Wassermassen geschützt.
Forschung der Universität Bonn bestätigt das Potenzial
Die Universität Bonn begleitet mehrere Projekte, die den Einfluss von Miscanthus auf die Wasseraufnahme und Abflussbildung untersuchen. Im Forschungsprojekt „Miscanthus in der Kaskadennutzung: Retentionspotenzial von Dauerkulturflächen“ werden Testflächen im Rheinland ausgewertet, um die Wirkung auf Hochwasser- und Starkregengefahren zu erforschen. Dabei zeigt sich, dass Miscanthus erhebliche Mengen Niederschlagswasser zurückhält und so die Gefahr lokaler Überflutungen und von Bodenerosion reduzieren kann.
Professor Ralf Pude und sein Team vom Institut für Nutzpflanzenwissenschaften und Ressourcenschutz „INRES“ der Universität Bonn beobachten, dass Miscanthus durch seine tiefreichenden Wurzeln und die dichten Blätter eine natürliche Barriere bildet, die Erosion verhindert. Die Mulchauflage des abgestorbenen Laubs stabilisiert den Boden zusätzlich und wirkt wie ein Schwamm bei Starkregenereignissen.
Fachliche Begleitung und Erfahrungen aus der Praxis
An der Feldführung nahmen auch Matthias Müller, Präsidiumsmitglied im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau und Kreisvorsitzender im Westerwald, sowie Landwirt Jürgen Rademacher aus dem Kreis Ahrweiler teil. Rademacher engagiert sich im Rahmen der „Umweltschutzkooperative RheinAhrEifel e.V.“ als Vereinsvorsitzender des Modellvorhabens „Kooperative Umsetzung der Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (MoKo)“. Der Verein arbeitet mit Heimatwurzeln in unterschiedlichen Vorhaben zum klimaresilienten Landbau zusammen. Beide betonten die Bedeutung solcher Demonstrationsflächen für Akzeptanz und Wissenstransfer zwischen Landwirtschaft und Bevölkerung. „Landwirte sind Teil der Lösung für den Klimaschutz, wenn sie Naturprozesse gezielt nutzen – Miscanthus ist dafür ein hervorragendes Beispiel“, erläuterte Müller am Rande der Veranstaltung.
Vielseitige Nutzung – vom Klimaschutz bis zur EnergieMiscanthus gilt als eine der vielversprechendsten Dauerkulturen Europas. Ursprünglich aus Ostasien stammend, wächst die Pflanze bis zu vier Meter hoch, liefert über viele Jahre hohe Trockenmasseerträge und bindet effizient CO₂ – etwa 30 Tonnen pro Hektar und Jahr.
Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Das gehäckselte Material kann als Einstreu, Dämmstoff oder als Rohstoff für Bioenergie genutzt werden. Zudem gibt es Potenziale für die Nutzung als Baustoffe und für den Einsatz im kommunalen Klimaschutz, etwa als natürliche Pufferzone in wasserempfindlichen Hanglagen. Im Feld zeigte Friederike tho Seeth eindrucksvoll wie rasch hohe Wassermengen von einem Miscanthusfeld aufgenommen werden. So flossen in kurzer Zeit aus einem bereitgestellten Wassertank per Feuerwehrschlauch hohe Wassermengen in dieses Feld. Miscanthus bildete eine natürliche Barriere und das Wasser versickerte rasch im Boden.
Engagement für das Ahrtal
Heimatwurzeln e.V. setzt sich seit der Flutkatastrophe von 2021 dafür ein, das Ahrtal klimaresilienter zu machen und nachhaltige Landnutzungsprojekte zu fördern. Mit Initiativen wie dem Miscanthusfeld zeigt der Verein, wie Bürgerengagement, Landwirtschaft und Forschung gemeinsam einen praxisnahen Beitrag zur Starkregenvorsorge leisten können. Die Exkursion spiegelte dies eindrucksvoll wider. Zwischen den hochgewachsenen Pflanzen entstand nicht nur ein Stück natürliche Landschaftssicherung, sondern auch ein lebendiger Dialog über Verantwortung, Innovation und die Zukunft einer wasserschonenden Landwirtschaft im Rheinland.