Jens Stechmann (rechts) erläuterte die vielfältige Arbeit der Bundesfachgruppe Obstbau für die Obstbaubetriebe in Deutschland. Norbert Schäfer sieht die Zukunft des Obstbauberatungs- und Versuchszentrums in Klein Altendorf gesichert.

Berufsvertretung kämpft intensiv für die Obstbauern

Klein Altendorf. Zu Beginn der Rheinisch-Nassauischen Obstbautagung am Campus Klein Altendorf begrüßte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Obstbau Norbert Schäfer die Entscheidung der Landesregierung, den Mietvertrag für das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Klein Altendorf vorerst bis zum Jahr 2033 zu verlängern. Diese Entscheidung eröffne den Obstbaubetrieben in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr Planungssicherheit. Schließich sei Klein Altendorf ein wichtiger Bestandteil des gesamten Beratungskonzeptes für die Obstbauern in Westdeutschland. Es sei erfreulich zu sehen, wie die Obstbaufamilien seitens der Politik und der Gesellschaft unterstützt würden. So waren neben Obstbauern und Vertretern aus Verwaltung und den der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Bereichen mit Marco Weber, Horst Gies und Ralf Schönborn aus drei Fraktionen politische Vertreter des Landtages anwesend.

Gastgeber Professor Dr. Ralf Pude zeigte sich erfreut über die Entwicklung, die das Forschungszentrum Klein Altendorf nehme. Auch er bemühe sich mit seiner Fakultät kontinuierlich um die Finanzierung von Forschungsaufgaben, um damit die Zukunft des Forschungs- und Beratungsstandortes Klein Altendorf zu sichern.

Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau Ökonomierat Michael Horper mache sich um die Zukunft des landwirtschaftlichen Berufsstandes keine Sorgen, wenn die Rahmenbedingungen stimmten. Gerade im Obstbau sei perspektivisch eine positive Entwicklung der Betriebe festzustellen und die Unterstützung seitens der Politik und der Gesellschaft gegeben. Dies lasse optimistisch in die Zukunft blicken. Er fügte hinzu, dass der Einsatz des Berufsstandes, der zur aktuellen positiven Situation geführt habe, enorm gewesen sei. Auch sei es ein berufsständischer Erfolg, so Horper, dass die Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) im Europäischen Parlament verhindert worden sei. Die SUR wäre ein Anschlag, vor allem auf die Sonderkulturen gewesen und hätte sie empfindlich getroffen. Dabei würden technische Entwicklungen, die eine Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes zum Ziel hätten, ohnehin weiterverfolgt. Ein weiterer Erfolg sei die EU-weite Zulassung des Wirkstoffes Glyphosat über das Jahr 2023 hinaus. Dies zeige einmal mehr, dass Sachverstand noch über Populismus siegen könne.

Weitere Themen, mit denen sich die Landwirtschaft befassen müsse, seien Digitalisierung, Robotik, Automatisierung, Wassermanagement, Umgang mit Starkregen oder Dürre. Auch entwickle sich die Technik der Agri-PV Anlagen weiter. Enttäuscht ist der BWV-Präsident über das politische Eingreifen bei der Mindestlohnfestsetzung. Mit Mindestlöhnen über 12 Euro könne die auf Saisonarbeitskräfte angewiesene Landwirtschaft kaum mit anderen Staaten mit deutlich niedrigeren Löhnen konkurrieren. Viele landwirtschaftliche Betriebe kämen mit den GAP-Ökoregeln nicht zurecht, bzw. könnten sie erst gar nicht anwenden. Es müsse dringend neue Regeln geben, die alle landwirtschaftlichen Betriebe auch anwenden könnten.

Der Landwirtschaft stünden weiterhin turbulente Jahre bevor. Es sei ein Hauptschwerpunkt der landwirtschaftlichen Berufsvertretung ihre politischen Ziele auf Planungssicherheit und Nachhaltigkeit auszurichten.

Jens Stechmann, Vorsitzender der Bundesfachgruppe Obstbau, erläuterte die Forderungen der Gesellschaft, denen sich die Obstbaubetriebe stellen müssten. Dies seien u.a. eine umweltverträgliche Produktion, der Erhalt der Kulturlandschaften und der Biodiversität, die Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, der Schutz von Wasser, Boden und Luft, ein angemessener Mindestlohn und Lebensmittel mit hohen Qualitäten aber günstigen Preisen. Hinzu käme die Forderung des Marktes, die sich denen der Gesellschaft weitgehend deckten. Hinzu kämen aber Qualitätssicherungssysteme, Rückverfolgbarkeit und verlässliche Angebotsmengen. Diese Anforderungen könnten die Betriebe nur mit attraktiven Erlösen umsetzen. Aufgrund der wirtschaftlich kritischen Situation vieler Obstbaubetriebe in Deutschland würden nun bis Ende Januar 2024 über die SVLFG 22 Millionen Euro an die Obstbaubetriebe ausgeschüttet werden. Somit erhielten alle Betriebe 342 Euro pro Hektar. Es gebe allerdings eine Deckelung bei 15.000 Euro pro Betrieb.

Kritisch sieht Stechmann, dass es in der Politik keine Bereitschaft gebe, für die Landwirtschaft eine gesonderte Mindestlohnregelung einzuführen. Somit bleibe der hohe Mindestlohnsatz ein Problem für die deutsche Landwirtschaft. Eine wichtige und nicht zu unterschätzende Arbeit der Bundesfachgruppe Obstbau seien die Anträge auf Notfallzulassung nach Artikel 53. Ohne diese Arbeit, wäre so manche Ernte in den vergangenen Jahren nicht möglich gewesen. Es seien weiter viele Gespräche notwendig, um die Notfallzulassungen auch in Zukunft zu ermöglichen. Im Obstbau gäbe es immerhin 80 verschiedene tierische Schaderreger, davon alleine 21 im Apfelanbau. 12 davon könnten sogar bis zum Totalausfall der Ernte führen. Ein weiterer Schwerpunkt der Bundesfachgruppe sei die Öffentlichkeitsarbeit. Stechmann nannte dabei die Apfelverteilaktionen als einen wesentlichen Bestandteil der Öffentlichkeitsarbeit sowie verschiedene Erdbeeraktionen. Wichtige Forderungen der Bundesfachgruppe Obstbau seien weiterhin die Förderung der Integrierten Produktion, die Verbesserung der Pflanzenschutzmittelzulassung, der Ausbau des Schulobstprogrammes und die Förderungen der Öffentlichkeitsarbeit.

Der Vorstandsvorsitzende der Landgard eG, Oliver Mans, sprach über die Vermarktung im Spannungsfeld zwischen Erzeugung und Handel. Er erläuterte die Ursachen der aktuellen Einkommenskrise im Obstbau. Dabei seien die Flüchtlingskrise, die Corona-Krise, die Klimakrise, die Ukraine- und die Haushaltskrise als mutiple Krise zu sehen, die kaum noch zu steuern sei. Die Krisen und die hohe Inflation hätten die Konsumlaune negativ beeinflusst. Schließlich habe der Handel die Preise gesenkt, was gerade im preisaffinen Deutschland die Konsumlaune erhöhen könne. Habe das Marktvolumen im Obstbau 2021 noch 10,2 Milliarden Euro betragen, seien es 2023 nur noch 8 Milliarden Euro gewesen. Ein Rückgang um 2 Milliarden Euro sei für diese Erzeugergruppe definitiv zu viel. Die Verbraucher hätten nicht unbedingt weniger gekauft, seien aber innerhalb der Warengruppe auf günstigere Angebote ausgewichen. Beeindruckend sei, dass die Discounter in Bezug auf die Ausgaben der Verbraucher erneut Marktanteile hinzugewonnen hätten. Vollsortimenter und Discounter deckten aktuell fast 93 Prozent des gesamten Obst- und Gemüsemarktes ab. Wochenmärkte hingegen würden nur noch zu 1,4 Prozent zu Buche schlagen. Obst und Gemüse werde zwar auch weiterhin eine Warengruppe mit Wachstumspotential bleiben, an diesem Wachstum würde aber überwiegend ausländliche Ware profitieren. Kritisch sieht Mans, dass die Vermarktungskonzentration des Lebensmitteleinzelhandels weiter zunehmen werde. Jedes der großen vier Handelsunternehmen in Deutschland hätte mittlerweile bereits ein Beschaffungsvolumen von 3 bis 5 Milliarden Euro. Die in Deutschland vorhandenen 30 Erzeugerorganisationen würden aber einen Warenwert von circa 1,7 Milliarden Euro vermarkten. Gleichzeitig würden die administrativen Anforderungen an die Erzeugerbetriebe steigen. Wichtig seien für die Vermarkter auch in Zukunft persönliche Beziehungen und Netzwerke, das Anbieten von Qualitäten, die Verfügbarkeit der Produkte, möglichst breite Vermarktungsmöglichkeiten und eine hohe Verlässlichkeit.

Am Ende der Veranstaltung dankte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Norbert Schäfer, allen Referenten und Besucher der Veranstaltung, die diese rheinisch nassauische Obstbautagung erst zu einer hoch informativen und interessanten Veranstaltung für viele Obstbaubetriebe gemacht hätten.

Landgard-Vorstandsvorsitzender Oliver Mans erläuterte die Situation der Vermarkter im Spannungsfeld zwischen Obsterzeugung und Lebensmittelhandel.