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Warum entschied das Verwaltungsgericht Koblenz gegen die Wolfsentnahme?

Koblenz. Die Diskussion um die Entnahme des auffälligen Wolfsrüden GW1896m des Leuscheider Rudels war in der vergangenen Woche auch Gegenstand der Sitzung des Umweltausschusses im rheinland-pfälzischen Landtag. Dabei wurde auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Koblenz (vom 17.12.2024, Az 1 L 1327/24) thematisiert. Der politisch heftig diskutierte, aber rechtlich nachvollziehbare Beschluss setzt die einschlägige Rechtsprechung der letzten Monate fort. Im Juli 2024 erließ der Europäische Gerichtshof eine grundlegende Entscheidung, bei der es um die Auslegung von Art. 16 FFH-Richtlinie ging. Dabei wurden Maßstäbe für eine mögliche Entnahme von Wölfen bestimmt und unter anderem das naturschutzfachliche Ziel festgehalten, dass eine „Kultur der Koexistenz zwischen der Wolfspopulation, den Herden und den Viehzüchtern“ gefördert werden soll.

Anhand dieses Maßstabs hatte im gleichen Zeitraum das OVG Niedersachsen ein Urteil erlassen, nach dem die Genehmigung zur letalen Entnahme eines Wolfes zu unbestimmt gewesen sei und folgerichtig eine erteilte Entnahmegenehmigung wieder kassiert. Es wären, so das Gericht, nicht alle Alternativen zur Entnahme geprüft worden. Diese müssten anhand des Praxisleitfadens zur Erteilung artenschutzrechtlicher Ausnahmen nach §§ 45 und 45a BNatSchG abgeprüft werden. Hierbei wären alle einschlägigen wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse zu beachten und eine Abwägung durchzuführen, bei der man auch die „ökologischen Kosten“ der Entnahme beachtet. Die wirtschaftlichen Kosten der Schutzmaßnahmen dürften dabei ebenfalls berücksichtigt werden.

In Anlehnung an diese beiden Urteile erließ das VG Koblenz Ende Dezember eine einstweilige Verfügung gegen die Genehmigung der SGD Nord für die letale Entnahme des Wolfsrüden GW1896m. Dieser Wolfsrüde hat eine traurige Berühmtheit erlangt, weil er immer wieder verantwortlich für diverse Rissvorfälle zeichnet. Die Verfügung wurde jedoch nach Auffassung der Richter hauptsächlich auf eine mangelnde Abwägung und zu knappe Sachverhaltsdarstellung gestützt, so dass sie letztlich scheiterte. Es wurden aber auch grundlegende Fragestellungen für die Voraussetzung einer rechtmäßigen Genehmigung aufgestellt, die in Zukunft mehr Rechtssicherheit für die handelnden Behörden bei zukünftigen Abschussgenehmigungen geben können. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden: Zum einen darf keine Verknüpfung einer sukzessiven Tötung (der stetigen Entnahme von Wölfen des Leuscheider Rudels) bis zur Entnahme des gesuchten Wolfes geschehen, wenn der Wolf keine signifikanten Merkmale hat. Die sukzessive Tötung darf nur bei einer Nicht-Identifikation des Wolfes (der für die Rissschäden verantwortlich ist) stattfinden und auch nur bis zum Ausbleiben der Schäden. So ist es nach § 45a Abs. 2 Satz 1 BNatSchG vorgesehen. Sonst würde, so das VG Koblenz, die Möglichkeit zur Entnahme des gesamten Rudels bestehen. Zudem muss für eine erfolgreiche Abschussgenehmigung dargelegt werden, dass der wirtschaftliche Schaden korrekt dargestellt wird, und zwar für die umliegenden Betriebe – nicht nur für die Hobbytierhaltung – vorliegen muss.

Auch der Herdenschutzzaun muss immer den Anforderungen an einen wolfssicheren Zaun entsprechen. So muss der Elektrozaun mindestens 1,20 Meter hoch sein und immer und auf der gesamten Länge straff gespannt sein, sonst wären die Herdenschutzmaßnahmen nicht hinreichend erfüllt. Außerdem muss die Möglichkeit von alternativen Schutzmaßnahmen im Gegensatz zur Entnahme stärker abgewogen werden (z.B. Hütehunde), bevor eine Entnahmegenehmigung erteilt werden kann.

Das VG Koblenz warf außerdem die Frage auf, inwiefern der Welpenwurf des Leuscheider Rudels aus dem Jahr 2024 hätte berücksichtigt werden müssen. Das VG begründete dies damit, dass die Welpen theoretisch von der Genehmigung zur Entnahme mitumfasst sind, aber bei einer vorgesehenen Entnahme des Leitwolfs optisch zu unterscheiden wären und daher nicht hätten von der Genehmigung mitumfasst sein dürfen. Fraglich ist jedoch, ob die Welpen rein praktisch von der Genehmigung hätten ausgenommen werden können. In der konkreten jagdlichen Entnahmesituation können die Jungtiere kaum von adulten Wölfen unterschieden werden, weil sie mit 6-8 Monaten fast ihre ausgewachsene Größe erreicht haben.

Letztendlich lässt sich festhalten, dass für die Genehmigung einer letalen Entnahme hohe Hürden zu nehmen sind, um alle notwendigen Voraussetzungen zur Entnahme nachzuweisen. Eine sachgerechte Abwägung ist notwendig, um vor allem für den Wolf selbst weniger einschneidenden Maßnahmen zu schaffen. Diese Argumentation entspricht dem Schutzstatus des Wolfes und der vom EuGH geforderten Förderung der Koexistenz von Wolf, Herden und Viehzüchtern. Juristisch ist das folgerichtig und es ist bei aller Kritik an der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes zu hoffen, dass die aufgestellten Grundsätze bei der nächsten Entnahmegenehmigung besser berücksichtigt werden.