Eurokongress im Dreiländereck

Landwirtschaft fordert: „Weniger Auflagen, mehr Vertrauen!“

Eifel. Hochrangige Vertreter aus Landwirtschaft und Politik trafen sich vergangene Woche im Rahmen eines Eurokongresses im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und Luxemburg. Die jeweiligen Vertreter diskutierten über den Verordnungsentwurf zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), über die geplante EU-Industrieemissionsrichtlinie und die Regulierung der Naturschutzzonen auf EU-Ebene. Die Teilnehmer des Eurokongresses bereisten drei landwirtschaftliche Betriebe.

Gastgeber und BWV-Kreisvorsitzender Stefan Fiedler sprach während der Begrüßung auf seinem Betrieb in Hallert über das bäuerliche Selbstverständnis und die Anforderungen, die ein landwirtschaftlicher Betrieb zu leisten habe: „Viele Betriebsleiter sind demotiviert. Fehlende Planungssicherheit und hohe Investitionskosten sowie ein stetig steigender bürokratischer Aufwand sind beängstigend. Dabei sprechen Nicht-Experten den Landwirten ihre fachlichen Fähigkeiten ab. Das ist ein unerhörter Vorgang. Wir kennen unsere Tiere, wir arbeiten mit der Natur, wir benötigen keine Sperrzeiten, wir wissen wann welche Arbeit getan werden muss!“ Es sei nun endlich an der Zeit, so Fiedler, dass die Politik mit den Bauern spreche, bevor Gesetzesentwürfe ausgearbeitet würden. Schließlich läge es im Interesse der Landwirtschaft, die Landschaft und die Natur zu erhalten.

Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Ökonomierat Michael Horper, stellte fest, dass die politischen Voraussetzungen der einzelnen EU-Staaten unterschiedlich seien, die Probleme seien aber vergleichbar. Es werde Zeit, gemeinsam zu handeln. Was seitens der EU der Landwirtschaft zugemutet werde, sei nicht mehr hinnehmbar: Green Deal, Farm to Fork, SUR, NRL oder Industrieemissionsrichtlinie würden die landwirtschaftlichen Betriebe regelrecht erschlagen. Dabei würden die Familienbetriebe nach guter fachlicher Praxis wirtschaften. Ein vollständiges Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten sei mit ihm nicht zu machen. Die Landwirtschaft habe gerade in den vergangenen zehn Jahren bewiesen, dass sie in der Lage sei, den Aufwand an Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren und diese genauer den Schadensverläufen anzupassen. Vielmehr sollte sich die EU den Staaten annehmen, die sich den Naturschutzthemen weitaus weniger gewidmet hätten als die mittel- und nordeuropäischen Staaten. Der Landwirtschaft und insbesondere den Sonderkulturbetrieben würden ohnehin schon Mittel fehlen und müssten mit Einbußen leben. Als Beispiel nannte Horper die Drahtwurmbekämpfung. Bei einem Totalverbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten wäre der Weinbau an der Mosel nicht mehr zu halten. In Rheinland-Pfalz wären insgesamt 260.000 Hektar an landwirtschaftlicher Nutzfläche betroffen.

Europaabgeordnete Christine Schneider sprach im Anschluss über die SUR und die Ziele der EU-Kommission. SUR und NRL seien ein Gesetzespaket, das zwar die Klimaneutralität der EU bis 2050 unterstützen solle, der Initiator EU-Vizepräsident Frans Timmermans, verbreite dabei aber Unwahrheiten. Die EVP werde sich nicht gegen die Ziele des Green Deal stellen. Timmermans Weg sei aber nicht der richtige, um die Ziele des Green Deal zu erreichen. Es mache einfach keinen Sinn, Ziele zu setzen, die nicht erreichbar seien. Die EVP verlange daher, dass die EU-Kommission bessere Vorschläge vorlege, die den Anforderungen an die Landwirtschaft auch gerecht würden. Außerdem müssten Ballungszentren in ein Gesamt-Biodiversitätskonzept eingebunden werden. Dies geschehe bisher nicht, so Schneider. Eine Reduktion von Pflanzenschutzmitteln könne nur Hand in Hand mit dem Einführen neuer Züchtungsmethoden gelingen. Darüber hinaus sei Digital Farming zu forcieren und Anreize zur Erforschung alternativer Pflanzenschutzmittel zu schaffen. Es dürften auf gar keinen Fall Anwendungslücken auftreten. Darüber hinaus forderte Schneider schnellere Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel. Gerade Deutschland müsse dabei schneller und fristgerechter arbeiten.

Schneider machte deutlich, dass sich die EVP dafür einsetzen werde, dass es kein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten gebe werde. Scharf kritisierte Schneider die fehlenden Gesetzesfolgenabschätzungen. Diese hätte die EU-Kommission durchführen müssen, bevor sie einen Entwurf zur Diskussion stelle. Es gebe keine Ernährungssicherung ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Auch ein landwirtschaftliches Antragsverfahren für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln lehne sie ab, da Landwirte schnell handeln müssten und nicht 14 Tage auf eine Genehmigung warten könnten. Hier zeige sich die fehlende Praxisnähe vieler Parlamentarier.

Nun gehe es um die Zukunft der Landwirtschaft und der ländlichen Räume. Betriebe, die ihre Arbeit einstellen würden, seien für alle Zeit verloren. Dies wirke sich auch auf die Artenvielfalt aus, die nur mit der Landwirtschaft erhalten werden könne. In der anschließenden Diskussion machte BWV-Vizepräsident Walter Clüsserath deutlich, dass beispielweise der Apollofalter ein Kulturfolger sei und nur dort existiere, wo es auch Weinbau gebe. Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Weinbau gäbe es am Ende auch keinen Apollofalter mehr. Vielfalt und Bewirtschaftung und somit Offenhaltung der Landschaft, gingen Hand in Hand. Landtagsabgeordneter Johannes Zehfuß ergänzte, dass mit einem de facto-Bewirtschaftungsverbot landwirtschaftlicher Flächen die Waldflächen im Lande zunehmen würden. Dies hätte allerdings einen eklatanten Rückgang der Artenvielfalt zur Folge.

Präsident Horper ärgert sich darüber, dass die Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt der Landwirte, die zu einer effektiveren Landwirtschaft beigetragen habe, ihnen nun „Auf die Füße falle“. Es stände der EU gut an, zwischen Staaten, die sorgfältig und weniger sorgfältig gearbeitet hätten zu unterscheiden. Es sei traurig, dass die Bundesregierung die Landwirte hier nicht unterstütze. Im Gegenteil, die Regierung unterstütze sogar noch Timmermans und Wieners Vorgehensweise.

Der Vorsitzende des Flämischen Bauernbundes Lode Ceyssens forderte die Berufsvertretungen auf, noch intensiver mit den Abgeordneten zu sprechen. So werde der Belgische Bauernbund verschiedene Europaabgeordneten kontaktieren und die Konsequenzen der geplanten Gesetze diskutieren. Die Abgeordneten wüssten oft nicht, welche Folgen ihr Abstimmungsverhalten habe. Abgeordnete Schneider ergänzte, dass genau hier die Gesetzesfolgenabschätzung fehle. Für sie sei die Aufklärung der Abgeordneten von großer Bedeutung.

Auf dem belgischen Betrieb der Familie von Marcel und Maria Maraite kritisierte der Präsident des ostbelgischen Bauernbundes, Roger Croé, dass die geplante EU-Industrieemissionsrichtlinie nicht auf die Landwirtschaft übertragen werden dürfe. Aktuell plane die EU Betriebe ab 150 Großvieheinheiten in diese Richtline einzubinden. Dies sei ein „Landwirtschaftsverhinderungsgesetz“. Croé stellte die Frage, ob Betriebe über 150 Großvieheinheiten nun zwei Betriebe bilden müssten. Es sei völlig unverhältnismäßig, landwirtschaftliche Betriebe als Industrieanlagen zu behandeln. Spätestens beim Generationswechsel würden die Familienbetriebe ihre Tätigkeiten einstellen. Selbst der französische Staatspräsident Emmanuel Macron fordere eine „Verschnaufpause“ für die Landwirtschaft. Dies sei ein bezeichnender Vorschlag. Croé bat die Abgeordneten, sich vehement vor die Landwirtschaft zu stellen. Die aktuelle Entwicklung sei höchst gefährlich.

EU-Abgeordneter Pascal Arimont kritisierte ebenfalls die fehlende Folgenabschätzung zur Industrieemissionsrichtlinie. Arimont schätzt, dass mit der Umsetzung der Industrieemissionsrichtlinie auf mittlere Sicht 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe ihre Arbeit einstellen würden. Er erinnerte an einen wesentlichen Grund für die Gründung der Europäischen Union: Die Sicherstellung der Ernährungssicherheit der Bevölkerung! Niemand in der Europäischen Union und darüber hinaus in der Welt solle Hunger leiden. Die EU-Kommission bringe ihr eigenes Ziel nun akut in Gefahr. Ein weiteres Problem sei, dass die Verantwortlichen der Gesetzesinitiativen nicht mit den Bäuerinnen und Bauern sprechen würden. Wie würden Landwirte denn Energie einsparen? Wie würden sie die Biodiversität erhalten wollen? Stattdessen werde grüne Ideologie in Gesetzestexte verpackt. Ohne die Landwirtschaft werde auch der ländliche Raum zerstört. Auch diesen müsse die EU schützen. Am Ende stehe ein zunehmender Import an Lebensmitteln aus Regionen, die weitaus fragwürdiger produzieren würden als die Familienbetriebe in der EU. Es sei sein Ziel, so Arimont, die Emissionsrichtlinie im Europäischen Rat zu stoppen. Dafür müssten aber Mehrheiten gefunden werden. Außerdem müssten Änderungsanträge gestellt werden, um die Landwirtschaft aus dem Gesetzesvorhaben zu streichen. Es sei schon sehr bedenklich, dass der EU-Umweltausschuss und nicht der Landwirtschaftsausschuss für das Gesetzgebungsverfahren zuständig sei. In einem weiteren Punkt erklärte Arimont, dass die Wolfspopulation gedeckelt und das Schießen der Wölfe ermöglicht werden müsse. Es gebe durchaus flexible Lösungen, was aber Menschenverstand und den dazugehörigen Willen benötige.

Auf dem landwirtschaftlichen Betrieb der Familie von Xavier Reiff erläuterte der EU-Abgeordnete Christophe Hansen, dass die Industrieemissionsrichtlinie fachlicher Nonsens sei. Hier würden landwirtschaftliche Betriebe über einen Kamm geschoren. Dies werde dem bäuerlichen Berufsstand nicht gerecht. Außerdem sei die SUR völlig überzogen. Bereits heute sei es möglich, über die eco-schemes den Pflanzenschutzmitteleinsatz zu reduzieren. Er bestätigte Arimonts Aussage, dass es schlecht sei, wenn landwirtschaftliche Themen im Umweltausschuss behandelt würden. Hier fehle der Sachverstand. Er sei nicht in der Lage sachlich über landwirtschaftliche Themen zu entscheiden. Es sei auch nicht verständlich, weshalb Einschränkungen im Bereich Pflanzenschutz nicht für Bahnstrecken oder Industrieanlagen gelten sollten. Hier könnte man die Mengen durchaus deutlich reduzieren, ohne Betriebe und somit Arbeitsplätze zu gefährden. Durch den Wegfall landwirtschaftlicher Betriebe würden Importe zunehmen und deren Produktionsgrundlage könne kaum mehr kontrolliert werden. Die EVP würde Änderungsanträge ins Parlament einbringen. Jetzt gelte es, auf Menschen zuzugehen und sie zu überzeugen. Wenn Änderungen nicht zu erreichen wären, empfehle er dem Berufsstand mit Demonstrationen und Traktoren in Brüssel und Straßburg aufzufahren.

Präsident Michael Horper betonte am Ende der Veranstaltung, dass sowohl der Deutsche Bauernverband als auch die Landesbauernverbände ein Pflanzenschutzanwendungsverbot in Schutzgebieten komplett ablehnen würden: „Wir werden ein faktisches Arbeitsverbot nicht akzeptieren!“.

Der Eurokongress hatte zu einem konstruktiven Meinungsaustausch über verschiedene Gesetzesvorhaben der EU geführt. Die anwesenden Vertreter aus Politik und Landwirtschaft kamen darin überein, dass Nachbesserungen in allen geplanten Gesetzesvorhaben dringend erforderlich seien.