Regelungen verbindlich grundbuchrechtlich absichern
Koblenz. Wenn der Eigentümer eines Hauses sein Grundstück nur unter Benutzung des Nachbargrundstückes erreichen kann, so sind Streitigkeiten oft vorprogrammiert. Gleich aus welchem Grund heraus der Zuschnitt der Grundstücke entstanden ist, spätestens bei einem Eigentümerwechsel gibt es zwischen den Nachbarn häufig Konflikte über die grundsätzliche Berechtigung und den Umfang, ein fremdes Grundstück als Zuwegung nutzen zu dürfen. Denn grundsätzlich darf der Eigentümer eines Grundstückes alleine darüber entscheiden, wie er sein Grundstück nutzen möchte und wem er die Nutzung in welchem Umfang gestattet. Ausnahmen davon gibt es wenige und die sind gesetzlich geregelt. Eine davon gibt einem Eigentümer, dessen Grundstück eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt, das Recht, ein Nachbargrundstück für eine erforderliche Verbindung zu nutzen.
Gesetzlich ist ein solches Notwegerecht in den §§ 917 und 918 BGB geregelt. Allerdings sind an ein solches Notwegerecht strenge Voraussetzungen geknüpft, wie der Bundesgerichtshof (BGH) kürzlich in einer Streitigkeit zwischen zwei Nachbarn entschieden hat. In dem zu entscheidenden Fall war die Nutzung eines landwirtschaftlichen Anwesens (ein sogenannter Vierseithof) über viele Jahrzehnte nur möglich, in dem der Eigentümer das benachbarte Grundstück als Zuwegung nutzte. Eine weitere Verbindung zu einem öffentlichen Weg bestand nicht und könnte auch nur mit großem technischen und finanziellen Aufwand errichtet werden.
Nach einer Grenzabmarkung verbleibt auf dem Eigentümer des Hofes lediglich ein Streifen mit einer Breite von 1,66 Metern zum Nachbargrundstück, sodass er zum Erreichen des Innenhofes mit Fahrzeugen auf die Nutzung dieses Grundstückes angewiesen ist.
Im Zuge einer nachbarschaftlichen Streitigkeit verbaute der Nachbar allerdings sein eigenes Grundstück mit einer Betonmauer und schmälerte somit die Möglichkeit, den im Nebenerwerb betriebenen Vierseithof anzufahren. In einem Klageverfahren wollte der Nebenerwerbslandwirt vom Nachbarn die Beseitigung der Mauer erreichen und berief sich dabei einerseits auf ein nachbarschaftliches Gemeinschaftsverhältnis sowie auf das Schikaneverbot des § 226 BGB, wonach die Ausübung eines Rechtes (hier durch die Errichtung einer Mauer) unzulässig ist, wenn sie nur den Zweck verfolgt, einem anderen Schaden zu zufügen.
Nachdem der Nebenerwerbslandwirt in den ersten beiden Instanzen Recht bekommen hat, scheiterte er zunächst beim BGH. Die obersten Bundesrichter stellten fest, dass die Beseitigung der Mauer ausschließlich davon anhänge, ob und in welchem Umfang ein Notwegerecht zu Gunsten des Eigentümers eingeräumt werden müsse. In diesem Zusammenhang komme es maßgeblich darauf an, ob ein Grundstück grundsätzlich erreichbar sei, auch, um beispielsweise sperrige Gegenstände zu laden. Die Notwendigkeit einer Zufahrt für Kraftfahrzeuge mit dem Zweck, sie auf dem Grundstück selbst abzustellen, könne sich allerdings nur aus besonderen Umständen des Einzelfalles ergeben. Im Hinblick auf die landwirtschaftliche Bewirtschaftungsform des Vierseithofes – es handelt sich um eine Hasen- und Wachtelzucht mit weniger als 50 Tieren – sei dies jedoch fraglich, sodass zunächst überprüft werden müsse, ob der An- und Abtransport der Güter nicht auch auf anderem Wege, beispielsweise unter Zuhilfenahme eigens für räumlich beengte Verhältnisse konstruiertes Transportmittel, möglich sei. Diese Feststellungen müssten erneut überprüft werden unter Berücksichtigung der tatsächlichen Begebenheiten. Sollte sich dabei herausstellen, dass ein Auffahren auf das Hofgrundstück zum Be- und Entladen notwendig ist und anderenfalls unzumutbare Erschwernisse, beispielsweise bei der Anlieferung von Brennsoffen oder sonstigen Gütern oder bei der Durchführung von notwendigen Baumaßnahmen entstünden, käme ein Notwegerecht in Frage, welches gegebenenfalls dann auch die Beseitigung der errichteten Mauer rechtfertige.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zeigt, dass das Bestehen und der Umfang eines Notwegerechtes an enge Grenzen gebunden ist und nicht in jedem Falle ein Befahren eines Grundstückes mit Fahrzeugen oder Maschinen automatisch davon umfasst ist. Vielmehr müssen die konkreten Nutzungsformen und -möglichkeiten und eventuelle Erschwernisse der Nutzung berücksichtigt werden. Das ist letztlich Ausdruck des Grundgedankens des Eigentums, welches nur in Ausnahmefällen und dann nur im notwendigen Umfang eingeschränkt werden darf, begründet. Wenn unklare Zuwegungen über fremde Grundstücke bestehen, ist es den Grundstückseigentümern zur Vermeidung von Streitigkeiten auch für die Zukunft und vor allem für mögliche Rechtsnachfolger dringend zu empfehlen, mit den Nachbarn geeignete Regelungen zu treffen und diese auch für beide Seiten verbindlich grundbuchrechtlich abzusichern.
Entscheidung des BGH vom 06.05.2022, Aktenzeichen V ZR 50/21