Grußwort zum Jahreswechsel

Liebe Landwirtinnen, Landwirte, Winzerinnen, Winzer, Landfrauen und Landjugendliche,

ein turbulentes Jahr neigt sich dem Ende zu. Ein Jahr, in dem uns nicht nur Corona weiterhin Einschränkungen auferlegte, sondern auch ein Jahr, das Krieg direkt vor unsere deutsche Haustür gebracht hat. Damit verbunden ist eine Energiekrise, die sich massiv auf unsere gesamte Gesellschaft und im Besonderen auf die Bauern- und Winzerfamilien auswirkt. Begleitet wird dies von einer seit Jahrzehnten nicht mehr gekannten Inflation.

Für die Landwirtschaft bedeutet dies Licht und Schatten zugleich. Denn steigende Erlöse treffen vielfach auf massive Preissteigerungen. Positiv ist, dass die Milchbranche momentan so hohe Milchpreise verzeichnet wie noch nie. Schlimm ist dagegen die Situation in der Schweinebranche. Die Tierzahlen in Rheinland-Pfalz gehen stetig zurück, die Tierhaltung steht deutlich unter Druck. Die massive, vor allem mediale Kritik, führt zu einer politischen Grundhaltung, die sich oftmals offen gegen die Tierhaltung richtet. Ein prominentes Problemfeld ist hier sicherlich die europäische Industrieemissionsrichtlinie, die ganz normale bäuerliche Betriebe zu Industrieanlagen umdeklarieren möchte. Aber auch die Haltungs- und Herkunftskennzeichnung, die Herausforderungen, die sich aus den Tierseuchen Afrikanische Schweinepest und Geflügelpest ergeben sowie die Erhöhung des Mindesttransportalters für Kälber von zwei auf vier Wochen fordern ihren Tribut.

Trotz all dieser Schwierigkeiten bleibt ein Dialog mit den politischen Entscheidungsträgern und der Gesellschaft unumgänglich. Nur im Dialog mit relevanten politischen Gruppen können wir unsere Themen ansprechen und die Zukunft der Nutztierhalter in Rheinland-Pfalz sichern.

Der mittlerweile in unserem Verbandsgebiet wieder sesshafte Wolf gefährdet die Weidehaltung und stellt Sprengstoff für den gesamten ländlichen Raum dar. Deshalb bringt sich der Bauern- und Winzerverband auf allen politischen Ebenen ein, um Veränderungen am Schutzstatus des Wolfs durchzusetzen. Damit verbunden wäre eine Erleichterung im Umgang mit solchen Tieren, die den Tierhaltern großen Schaden zufügen. Jüngst haben wir einen Zwischenerfolg verbuchen dürfen, hat sich doch das Europäische Parlament für eine Überprüfung des Schutzstatus des Wolfs ausgesprochen. Wir fordern ein regionales Bestandsmanagement entsprechend dem Koalitionsvertrag der Berliner Ampelregierung. In Mainz wollen wir erreichen, dass die Sorgen und Ängste der Tierhalter, vor allem in den Mittelgebirgsregionen, ernst genommen werden und mindestens gleichwertig neben den artenschutzrechtlichen Interessen des Naturschutzes stehen.

Die Inflation führt zu Preissteigerungen auf breiter Front. Das trifft Bauern und Winzer gleichermaßen bei anstehenden Investitionen – die Fördersätze bleiben jedoch unangetastet oder sinken sogar. Die Erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik verliert weiterhin an Bedeutung, auch wenn es ein berufsständischer Erfolg ist, dass die Basisprämie in der neuen Förderperiode ab 2023 erhalten bleibt. Massiv umgeschichtet wird hingegen in Maßnahmen zur Förderung der Umwelt, die von immer mehr Landwirten und Winzern in Rheinland-Pfalz umgesetzt werden und ein wichtiges Standbein gerade für die Nebenerwerbslandwirtschaft ist.

Positiv ist jedoch, dass die Förderung von Junglandwirten ab 2023 verbessert wird und dass die Ausgleichszulage wieder eingeführt wurde. Damit wurde eine langjährige Forderung unseres Berufsstands endlich erfüllt.

Ein immer wichtigeres Standbein unserer Landwirtschaft stellt die Erzeugung von erneuerbaren Energien dar. Ohne die vielen Biogasanlagen stünde unsere Energieversorgung derzeit deutlich schlechter dar, denn sie verfügen über ein Potenzial zur Netzstabilisierung. Unverständlicherweise macht es die Bundesregierung aber gerade den Bioenergiewirten schwer, werden sie auf eine Stufe mit Wind- oder Sonnennutzern gestellt, deren derzeitigen hohen Erlöse zum Wohle der Allgemeinheit abgeschöpft werden sollen. Dabei wird aber vergessen, dass auch die Kosten für die notwendigen Substrate deutlich gestiegen sind. Das Schlimmste – vor allem für die Biogasanlagen – haben wir bei der geplanten Gewinnabschöpfung bei erneuerbaren Energien verhindern können. Hier ist die Geschlossenheit des Berufsstands positiv hervorzuheben – eine Einheit, die Stärke und Entschlossenheit symbolisiert und die die so dringend benötigten Änderungen am Gesetzesvorschlag herbeigeführt hat.

Eine breite, ablehnende Front hat sich bei den Vorschlägen der EU-Kommission zum Pflanzenschutzpaket gebildet. Die Pläne der EU-Kommission laufen dem Ziel einer fachlich fundierten und effizienten Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln zuwider. Zwar stehen wir grundsätzlich zu dem Ziel, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, wehren uns aber gegen ein Quasi-Berufsverbot. Die auf dem Tisch liegenden Pläne beinhalten ein komplettes Ausbringungsverbot auf fast 40 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Rheinland-Pfalz und hätten vernichtende Auswirkungen für den hiesigen Weinbau und die Landwirtschaft. Bei solch einem Vorschlag sind Kompromisse nicht möglich, die EU-Kommission muss hier grundlegend neu denken. Deshalb finden viele Gespräche mit der Kommission, mit Europaabgeordneten sowie mit Vertretern der Bundes- und der Landespolitik statt. Die Sensibilität des Sachverhalts scheint angekommen, da durch den starken Widerstand auf breiter Front die Brüsseler Vertreter beginnen, vorsichtig zurückzurudern. Wir müssen uns weiterhin gemeinsam in der Bauernverbandsfamilie gegen ideologisch geprägte Vorschläge stellen und jede drohende pauschale und sachlich nicht gerechtfertigte Regelung verhindern.

Gleichzeitig richtete sich unser Blick auf die Lebensmittelversorgung und die durch den Krieg unterbrochenen Lieferketten. In dieser Krise zeigt sich auch die stützende Funktion der Landwirtschaft – eine Garantie für eine gute Versorgung des eigenen Landes mit heimischen Produkten.

Die wichtige und in der Krise stabilisierende Funktion der Landwirtschaft müssen wir aber auch offensiv in die Gesellschaft tragen. Kommunikation ist eine Aufgabe, der wir uns als Verband nun stärker widmen möchten und müssen. Die Öffentlichkeit, die Medien, die Verbraucher beschäftigen sich zunehmend mit Landwirtschaft und Weinbau und zeichnen dadurch ein Stimmungsbild, dem wir uns stellen müssen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir neben 80 Millionen Bundestrainern und Pandemieexperten auch genauso viele Bodenbewirtschafter, Tierhalter und Pflanzenschützer haben. Dabei sind wir die Experten. Auf unsere Stimme kommt es an. Diese müssen wir stärken und unsere Botschaften nach außen tragen.

Wir können stolz auf unsere Arbeit sein, auch auf die unserer Vorväter und die unserer Nachfolger, und das ist die Geschichte mit der wir nach außen gehen müssen. Es liegt in unserer Hand, der negativen Presse unsere positiven Geschichten gegenüberzustellen. Mit viel Einsatz und kontinuierlicher Präsenz in der Öffentlichkeit und gegenüber den Entscheidungsträgern der Politik auf allen Ebenen lässt sich hier viel erreichen – genau wie in unserer täglichen Arbeit.

Nach all diesen Problemen könnte man meinen, dass sich bei Bäuerinnen und Winzern Resignation breit macht, doch die Jahrhunderte haben gezeigt, dass sich die Landwirtschaft durch Resilienz und Innovationsgeist auszeichnet. Die Räder drehen sich weiter. Ein Berufsstand, den es seit Anbeginn der Zeit gibt, kann man ins Wanken bringen, aber nicht zu Fall.

Wir blicken zuversichtlich und optimistisch in die Zukunft. Vor allem aber sollten wir Vertrauen in uns selbst haben, in unseren Berufsstand und die Notwendigkeit unserer Arbeit. Hier zeigt sich durch die stabilen Ausbildungszahlen auch, dass die Grünen Berufe nach wie vor attraktiv sind und wir erfolgreich Nachwuchswerbung betreiben.

Deutlich wird auch die tiefe familiäre Verbundenheit zum Beruf, die sonst kaum eine andere Sparte für sich in Anspruch nehmen kann. Ein Landwirt ist nicht nur ein Versorger und Energiewirt, sondern auch der Kleber, der Gemeinden zusammenbringt und zusammenhält. Bei jeder Vorbereitung zum Volksfest wird der Bauer mit seinem Trecker um Hilfe gebeten. Jeder verlässt sich auf den Landwirt aus der Nachbarschaft, wenn das Auto mal steckengeblieben ist. Wir sollten stolz auf uns und unsere Arbeit sein und dies auch mit hocherhobenem Haupt nach außen tragen.

Mein besonderer Dank gilt vor allem Ihnen, für Ihre wertvolle, harte Arbeit unter schwierigen Rahmenbedingungen. Danken möchte ich auch den ehrenamtlich engagierten Mitgliedern und unseren hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich seit vielen Jahrzehnten in enger Zusammenarbeit für die Interessen des Berufsstands einsetzen. Nächstes Jahr können wir auch den Verband feiern – wir werden 75. Eine Gelegenheit für uns, nicht nur den Berufsstand, sondern auch die Verbandsarbeit mit unseren Mitgliedern und dem Ehrenamt selbstbewusst zu präsentieren.

Ich wünsche Ihnen allen von Herzen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest mit Ihrer Familie und ein glückliches, gesundes sowie privat und beruflich erfolgreiches Jahr 2023.

Ökonomierat Michael Horper

Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau