Hochkarätige Gäste sprachen über Themen, die den Verband und die Landwirtschaft betreffen. Im Bild (v. l. n. r.): Robert Fuchs, Eberhard Hartelt, Joachim Rukwied, Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt, Michael Horper und Norbert Schindler.

Seit 75 Jahren im Dienst der Bauern und Winzer

Koblenz. „Jede Generation arbeitet für die Jugend und für die Zukunft.“ Mit diesen Worten eröffnete der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Ökonomierat Michael Horper, den Festakt zum 75. Geburtstag des Verbandes. Über 130 Ehrengäste aus Landwirtschaft, Weinbau, Politik, Verwaltung und Gesellschaft kamen, um dem Verband zu gratulieren und Respekt vor seinen Leistungen zu bekunden.

Horper zeigte sich erfreut, dass seine Vorfahren 1948 den Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau gegründet hätten. Dies sei auch auf Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Georg Dasbach zurückzuführen, zwei Menschen, die die Mitmenschlichkeit und die Selbsthilfe im ländlichen Raum in den Vordergrund ihrer Arbeit gestellt hätten. Bemerkenswert sei, dass der Abbau der überbordenden Bürokratie eine wesentliche Forderung der Gründungsväter gewesen sei.

Die Landwirtschaft habe es in den Jahren danach geschafft, die Menschen in Deutschland satt zu machen. Dies liege auch an der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, die sich die Bekämpfung des Hungers zum Ziel gesetzt habe. Ab den 1970er Jahren seien schließlich zu viele Lebensmittel produziert worden, was wiederum zu Überschüssen und Marktregelungen geführt und den Strukturwandel befeuert habe, der innerhalb von 60 Jahren 90 % der Betriebe zur Aufgabe gezwungen habe. Jetzt sei es notwendig, verlässliche Rahmenbedingungen zu erhalten, damit die junge Generation eine Zukunft habe. „Wir haben hier unsere Kulturlandschaft, wir haben unsere Tiere und wir haben unsere Betriebe. Diese Strukturen müssen wir erhalten und weiterentwickeln.“

Mit großem Stolz blickte Horper auf den Zusammenhalt des bäuerlichen Berufsstands während der Flutkatastrophe im Jahr 2021. Er sei überwältigt von den Spendengeldern und dem Arbeitseinsatz der Bäuerinnen, Bauern, Winzerinnen und Winzer gewesen.

Horper ließ keinen Zweifel daran, dass alle landwirtschaftlichen Aktivitäten ein Preisschild tragen müssten. Es komme sehr viel auf den Berufsstand zu, aber dafür würden entsprechende Einkommen benötigt. Es müsse Geld für die Leistungen der Landwirtschaft und des Weinbaus bereitgestellt werden. Es sei nicht akzeptabel, dass in Rheinland-Pfalz jeden Tag 8 – 10 ha an landwirtschaftlicher Nutzfläche für Bebauung und Infrastruktur versiegelt würden. Diese Entwicklung treibe die Pachtkosten in die Höhe und verschärfe den Klimawandel. Umso wichtiger sei es, die Landwirtschaft mit moderner Bewässerungstechnik auszustatten.

Die Zusammenarbeit mit Naturschutzorganisationen, der landwirtschaftlichen Umweltverwaltung im Rahmen des Projekts „Schulterschluss Artenvielfalt“, lohne sich, auch wenn sie nicht immer einfach sei. Auch die Umstellung der Tierhaltung in Richtung Tierwohl begleite die Landwirtschaft. Aber auch hier müsse es finanzielle Unterstützung geben.

Hauptgeschäftsführerin Karin Bothe-Heinemann moderierte die Jubiläumsveranstaltung des Verbandes Rheinland-Nassau. Sie dankte allen ehren- und hauptamtlichen Mitstreitern, die konstruktiv zum Wohle der Betriebe und an der Zukunft des Verbandes arbeiteten.

Für die musikalische Umrahmung sorgte das Trio Dolicé aus dem Kreis Altenkirchen.

Nach Präsident Michael Horper sprachen der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt sowie der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Ökonomierat Eberhard Hartelt, der Präsident der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, Ökonomierat Norbert Schindler, und der Betriebsratsvorsitzende Robert Fuchs.

Die Herausforderungen sind größer geworden

Präsident Joachim Rukwied verdeutlichte in seiner Festrede, dass während der Gründungsphase des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau die Ernährungssicherung der Bevölkerung im Vordergrund gestanden habe. Mittlerweile sei die Agrar- und Weinwirtschaft ein sehr stabiler Wirtschaftszweig Deutschlands. 75 % der Menschen in Europa lebten in ländlichen Räumen. Folglich habe die gesamte Europäische Union nur eine Zukunft, wenn gerade die ländlichen Räume stabil blieben. Dort sei nun einmal die Landwirtschaft ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor. Schließlich sei die Landwirtschaft aus gutem Grund der Grundstein für die Bildung der Europäischen Union gewesen. Auch wenn sich die Strukturen wandelten, seien die Bauernfamilien weiterhin auf eine starke Berufsvertretung angewiesen. Die agrarpolitischen, gesellschaftspolitischen, wirtschaftspolitischen und geopolitischen Herausforderungen seien größer geworden. Der bäuerliche Berufsstand sei bereit, Lösungen und Kompromisse zu finden, die aber nur dann getroffen werden könnten, wenn die Landwirtschaft mit dem Ergebnis leben könne. Mit einem pauschalen Verbot des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten könne die Landwirtschaft hingegen nicht leben.

„Wir haben leider viel zu wenige Bäuerinnen und Bauern in allen Parlamenten und Räten. Nur wenn wir in den Entscheidungsgremien anwesend sind, können wir auch etwas für die Landwirtschaft bewegen. Hier ist die Agrarwirtschaft nicht gut genug aufgestellt“, so Rukwied. Er sehe die Gefahr, dass sich die Gesellschaft sowohl ökonomisch als auch politisch entzweie. Die Politik müsse den Menschen wieder intensiver zuhören und deren Wahlentscheidungen nicht einfach nur kritisieren.

Rukwied betonte, dass er ein grundsätzliches Problem mit der Naturwiederherstellungsrichtlinie (NRL) habe, da sich die Natur weiterentwickele. Eine Wiederherstellung werde der Situation nicht gerecht. Auch der Zustand der Flüsse, Felder und Wälder entwickle sich weiter. Vor 50 Jahren sei vieles sehr viel schlechter gewesen als heute. Es sei ein wesentliches Ziel des NRL (Nature Restoration Law) gewesen, 10 % der Bewirtschaftungsflächen aus der Produktion zu nehmen. Dies sei zwar vom Tisch, dennoch werde mit Auflagen zu rechnen sein. Zur Verordnung zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR) erklärte der Bauernpräsident, dass der Berufsstand zu Kompromissen bereit sei. Dennoch müssten überall dort, wo Pflanzenschutz notwendig sei, Pflanzenschutzmittel auch eingesetzt werden können. Dabei sei eine Reduzierung des Einsatzes über innovative Technik möglich. Erfreulich sei, dass in der EU der Einsatz von Glyphosat in den kommenden 10 Jahren möglich sein werde. Mit Sorge sehe er aber die Diskussion in Deutschland und dass hier die Anwendung mit erheblichen Auflagen verknüpft werden könnte. Die Vorteile durch einen Einsatz des Wirkstoffs Glyphosat würden viel zu geringgeschätzt. So könne unter Zuhilfenahme von Glyphosat eine Minimalbodenbearbeitung durchgeführt, der Humusaufbau gefördert und auch der Erosionsschutz lokal deutlich verbessert werden.

Enttäuscht zeigte sich Rukwied über die Politik, die die Vorschläge der Borchert-Kommission nicht umgesetzt habe und auch nicht umsetzen werde. Dabei habe der Berufsstand umsetzungsfähige Vorschläge gemacht, die von der Politik unverständlicherweise nicht aufgegriffen würden. Dies sei ein Armutszeugnis der Berliner Koalition. Ein Betrieb, der in Tierwohl investiere, lege sich mit seinen Investitionen für mindestens 20 Jahre fest. Dafür benötige ein landwirtschaftliches Unternehmen Sicherheit. Diese müsse die Politik gewährleisten.

Erfreulich sei, dass Europa ein stabiles Budget für die gemeinsame Agrarpolitik habe. Allerdings sei die nationale Umsetzung ein einziger Misserfolg. Die Ökoregelungen würden hier nicht passgenau angeboten werden. 40 % der Betriebe hätten die Angebote nicht abrufen können. In anderen Staaten seien es weniger als 10 %. GLÖZ 6 kritisierte Rukwied mit den Worten: „Wir sind keine Kalenderbauern. Wir arbeiten mit der Natur. Deshalb muss GLÖZ 6 grundlegend überarbeitet werden, ansonsten ist die Praktikabilität des Anforderungsprofils nicht gegeben.“

Rukwied machte klar, dass Direktzahlungen ein Auslaufmodell seien. Der Deutsche Bauernverband definiere daher drei Blöcke, für deren Leistungen die Landwirtschaft auch künftig bezahlt werden müsse. Dies seien Tierwohl- und Umweltschutzleistungen, Investitionen in die Zukunft sowie in die Förderung der Jugend und Investitionen in den ländlichen Raum. Alle drei Blöcke müssten künftig besser und wirtschaftlich attraktiver ausgestaltet werden. Dies seien Blöcke, die die Basis für die „Zukunftsbauern“ bildeten.

Landwirtschaft muss handlungsfähig, nachhaltig und wirtschaftlich bleiben

Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt sieht den landwirtschaftlichen Berufsstand als wichtigen Stabilisator der Gesellschaft im ländlichen Raum. Außerdem pflegten die Landwirtschaft und der Weinbau die Kulturlandschaft, weshalb viele und immer mehr Menschen Rheinland-Pfalz als Touristen besuchten. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau sei nicht nur eine Fort- und Weiterbildungsorganisation, er berate und unterstütze seine Mitglieder auch in steuerlichen Fragen und Buchführung. Darüber hinaus setze sich der Verband für berechtigte agrarpolitische Ziele ein und sorge über die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für eine umfangreiche Außendarstellung. Auch Schmitt setzt auf den Dialog. „Dieser ist wichtiger denn je und nur über einen umfangreichen Austausch können Berufsstand und Verwaltung die Zukunft gemeinsam bewältigen. Auch die Bereitschaft zu Kompromissen ist wichtiger denn je.“

Gerade die letzten drei Jahre seien für den Berufsstand sehr hart gewesen. Pandemie und Flutkatastrophe hätten pragmatische Lösungen erfordert. So habe es der bäuerliche Berufsstand gemeinsam mit der staatlichen Verwaltung ermöglicht, Pflanzenschutzspritzungen nach der Flutkatastrophe durchzuführen, um die Weinernte zu retten. Vorbildlich sei die berufsständische Unterstützung für die betroffenen Bauern- und Winzerfamilien gewesen.

Die Turbulenzen auf den Agrarmärkten durch den Angriffskrieg von Putin, die galoppierende Inflation und die daraus folgenden Kaufentscheidungen der Verbraucher hätten in der Landwirtschaft und im Weinbau zu Unmut geführt. Viele Menschen hätten aber auch erkannt, dass die Bereitstellung von Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit sei. „Ohne Pflanzenschutz gibt es keine sicheren Erträge. Die Landwirtschaft muss handlungsfähig, nachhaltig und wirtschaftlich bleiben“, so Ministerin Schmitt.

Pauschalen Verboten durch die EU erteilte die Ministerin eine klare Absage. Die Landwirte benötigten ihre „Werkzeuge“, um handlungsfähig zu bleiben. Wer der Landwirtschaft diese nehme, zerstöre sie am Ende. Schmitt bekannte sich klar zu Forschung und Innovation. Nur wer technische Entwicklungen nutze, könne auch in Zukunft nachhaltig und wirtschaftlich arbeiten. „Wenn wir heute wie die Gründungsväter denken, als es um die Ernährungssicherung und den Wiederaufbau ging, und wir in Zukunft wie unsere Vorfahren zusammenstehen und tatkräftig arbeiten, dann ist mir um die Zukunft der Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz nicht bange“, betonte Ministerin Daniela Schmitt.

Kammerpräsident Schindler, lobte die konstruktive Zusammenarbeit zwischen dem BWV und der Landwirtschaftskammer. Er dankte Präsident Horper und Ehrenpräsident Leo Blum stellvertretend für alle bisherigen Präsidenten des Verbandes für die stets konstruktive Zusammenarbeit und für die Arbeit an praktikablen Lösungen für die Landwirtschaft und den Weinbau. Schindler verabschiedete sich im Rahmen der Jubiläumsfeier vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau, weil er Anfang Dezember aus dem Amt des Kammerpräsidenten ausscheiden werde.

Der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt, machte darauf aufmerksam, dass der Gesellschaft die Verbindung zwischen Landwirtschaft, Lebensmittel und Hunger fehle. Nach dem Krieg habe dieses Geflecht jeden Einzelnen in Deutschland berührt. Diese gedankliche Verbindung sei verlorengegangen, weil es eine Selbstverständlichkeit sei, jeden Tag essen zu können. Im Gründungsjahr und den Jahrzehnten danach, habe man Milch und andere Erzeugnisse beim Bauern holen können. Auch hier sei vielfach eine Verbindung gekappt worden. Die daraus erfolgte Entfremdung führe zu Gesetzen, unter denen die Landwirtschaft und der Weinbau zu leiden hätten. Es sei notwendig, Zielkonflikte zu benennen, um anschließend Kompromisse, die gegenseitig beachtet werden müssten, zu finden. „Wir müssen uns weiterhin gegen überzogene Ziele wehren“, so Hartelt. Schließlich benötige die Landwirtschaft auch in Zukunft Handlungsfreiräume, um praxisgerecht arbeiten zu können. Er machte deutlich, dass die Landwirtschaft viele Umweltziele erreichen würde, wenn man sie nur frei arbeiten ließe. Was die Landwirtschaft benötige, sei Anerkennung, Wertschöpfung und ein Bekenntnis der Gesellschaft zur Landwirtschaft. Dieses Bekenntnis gebe es aktuell beim Projekt „Schulterschluss Artenvielfalt“. Hartelt dankte der Ministerin für die finanzielle Unterstützung dieses Projekts. Und an die Politik appellierte er: „Lassen Sie uns machen. Sie werden überrascht sein, was die Landwirtschaft im Bereich Naturschutz erreichen kann.“

Der Betriebsratsvorsitzende Robert Fuchs lobte den größten „Schatz“ des Verbandes, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Nur mit ihnen könnten die landwirtschaftlichen und bäuerlichen Familien entsprechend unterstützt werden. Zwar sei Wissen heute digital abrufbar, die BWV-Mitglieder benötigten dennoch die individuelle Beratung, weil pauschales Wissen nicht genüge, um die Probleme der Menschen und Betriebe zu lösen. Die Mitarbeiterstrukturen hätten sich über die Jahrzehnte den Bedürfnissen der Mitgliederfamilien angepasst, so Fuchs. 75 Jahre Verbandsarbeit seien zu jedem Zeitpunkt auch Arbeit an der Zukunft gewesen. Die Mitglieder des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau könnten stolz auf ihre 230 Mitarbeiter sein, da sie der „Schatz“ seien, der die Betriebe in Rheinland-Nassau voranbringe.

Über 130 Ehrengäste aus Politik, Landwirtschaft und Gesellschaft verfolgten den Festakt zum 75. Verbandsjubiläum.
Präsident Horper forderte die Gäste auf, auf die geplanten gesetzlichen Regelungen zu achten. Die Zukunft kommender Generationen dürfe nicht verspielt werden.
DBV-Präsident Rukwied forderte mehr Freiräume für die Landwirte und Winzer und weniger gesetzliche Auflagen und Bürokratie.
Hauptgeschäftsführerin Karin Bothe-Heinemann dankte allen ehren- und hauptamtlichen Mitstreitern für ihren Einsatz für die bäuerlichen und weinbaulichen Familienbetriebe.