Liebe Bäuerinnen und Bauern, Winzerinnen und Winzer, Landfrauen und Landjugendliche,
die Ernte liegt weitgehend hinter uns und die meisten Landwirte, Obstbauern und auch Winzer können mit dem Ergebnis zufrieden sein. Was uns umtreibt, sind weniger die Ernteergebnisse als vielmehr das marktwirtschaftliche und politische Umfeld. Zwar können die Futterbaubetriebe mit der Gras- und Maisernte sowie den Erzeugerpreisen zufrieden sein. Im Marktfruchtbau, im Veredelungsbereich und vor allem im Weinbau sind die Erzeugerpreise hingegen einfach nur schlecht, während im Obstbau die steigenden Mindestlohnkosten sowie Probleme im Bereich des Pflanzenschutzes den Betrieben große Sorgen bereiten.
Die Getreideernte wäre insgesamt sehr gut ausgefallen, wenn kurz vor und während der Ernte Niederschläge nicht so manche Qualitäten negativ beeinflusst hätten. Aber mit den Unbilden des Wetters kommen wir Bauernfamilien seit Jahrhunderten zurecht. Sicherlich gibt es Jahre, die uns große Freude und auch solche, die uns große Sorgen bereiten. Ärgerlich ist aber, dass unsere Gesellschaft, und auch die Politik, die die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt, die Bedeutung der heimischen Lebensmittelproduktion, die während der Coronazeit sehr deutlich zu erkennen war, offensichtlich vergessen haben. Anders kann ich mir nicht erklären, warum den Betrieben immer wieder Steine in den Weg gelegt oder ihnen gegenüber Hürden aufgebaut werden.
Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau stellt anlässlich der Landtagswahl im Frühjahr 2026 einen Forderungskatalog an die Parteien zusammen, der auf das Wohl all unserer Betriebe und auf die Ernährungssicherheit unseres Landes abzielt. Denn unabhängig davon, ob wir zurzeit eine Krise durchleben oder nicht, muss der landwirtschaftlichen Urproduktion ein überragendes öffentliches Interesse zuerkannt werden. Daher liegt es im Interesse der Gesellschaft, in Anbetracht der weltweiten landwirtschaftlichen Konkurrenzsituation, die Förderprogramme aufrecht zu erhalten, steuerliche Entlastungen auszubauen und unsere Junglandwirte und -winzer zu stärken, damit sie sich voll Freude und Zuversicht den Herausforderungen unseres wichtigen Berufs stellen.
Damit wir auch in Zukunft noch ausreichende Ernten einholen können, bedarf es selbstverständlich stabiler landwirtschaftlicher Strukturen, aber auch landwirtschaftlicher und weinbaulicher Flächen, die die Betriebe zu rentablen Preisen kaufen oder pachten können. Ländliche Regionen dürfen nicht immer weiter zersiedelt und versiegelt werden. Zu wertvoll sind unsere, über Jahrhunderte gepflegten Flächen, als dass sie achtlos anderen – manchmal zweifelhaften – Zwecken geopfert werden. Außerdem müssen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen entweder produktionsintegriert oder über die Aufwertung naturschutzfachlich relevanter Flächen umgesetzt werden.
Der seitens der Politik geradezu unverantwortliche restriktive Umgang mit der Zulassung und dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sagt sehr viel auch über den Umgang der Gesellschaft mit uns Bauern aus. Wir sind hier in Deutschland bestens ausgebildet, wir wissen, wie wir mit unseren Tieren und unseren Pflanzen umgehen müssen und das tun wir gerne. Schließlich ist unser Beruf eine Berufung und wir sind uns unserer Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung bewusst. Daher muss die zonale Zulassung von Pflanzenschutzmitteln endlich schnell und unbürokratisch umgesetzt werden. Die zonale Zulassung dürfen einzelne Zulassungsbehörden nicht immerwährend unterlaufen. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten muss – wie bisher auch – für unsere Betriebe auch weiterhin unbürokratisch möglich sein. Die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln darf nicht stigmatisiert werden. Die Vernunft sollte endlich wieder über Panikmache und Unverstand siegen.
Welcher Stellenwert gebührt der Landwirtschaft?
Gerade beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wäre eine Zusammenarbeit mit Naturschutzorganisationen möglich und sinnvoll. Wer einmal verinnerlicht hat, dass wir Landwirte mit unserer Bewirtschaftung schließlich die biologische Vielfalt ermöglicht haben, wird alles daransetzen, die Landwirtschaft in einer Region wirtschaftlich zu erhalten. Ein Erhalt der Artenvielfalt und der Kulturlandschaft ohne Landwirtschaft ist nicht nur unbezahlbar, sondern schlicht unmöglich. Nur eine ökonomisch attraktive Bewirtschaftung von Flächen hält eine Landwirtschaft in der Region und sorgt für eine nachhaltig existente Vielfalt an Pflanzen, Tieren und abwechslungsreicher Landschaft.
Ein weiterer Punkt, der ebenfalls noch nicht zu unserer Zufriedenheit gelöst wurde, ist das Zusammenleben von Weidetieren und Wölfen. Dass es Verbänden über ihr Klagerecht ermöglicht wird, die Tötung unserer Weidetiere durch Wölfe weiterhin zuzulassen, schlägt dem Fass den Boden aus. Hier wird das Verbändeklagerecht ad absurdum geführt, hier wird Tierschutz mit Füssen getreten, hier wird die weidetierhaltende Landwirtschaft ganz bewusst in ihrer Existenz bedroht. Ich bin davon überzeugt, dass es uns gelingen wird, zufriedenstellende Lösungen für die Landwirtschaft umzusetzen. Es ist aber schockierend, wie viel Zeit die Einführung und Umsetzung sinnvoller Lösungen benötigt. Es ist schlicht und ergreifend traurig, mit ansehen zu müssen, wie die Zauderer in Politik und Gesellschaft es in Kauf nehmen, dass tierhaltende Betriebe resigniert aufgeben.
Jetzt möchte auch noch die EU-Kommission das Budget der Landwirtschaft „reformieren“. Solche Reformen führen am Ende nur zu Kürzungen unserer Beihilfen. Eine Kürzung des EU-Agraretats in Höhe von etwa 20 % steht in der Diskussion. Selbst die EU-Agrarminister wenden sich gegen die Pläne der EU-Kommission. Darüber hinaus soll nach Plänen der Kommission den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Verantwortung bei der Verteilung der Finanzmittel übertragen werden. Ich zweifle sehr daran, dass dies am Ende zu einer Verbesserung der Konkurrenzfähigkeit unserer Betriebe führen wird. Gegen die Pläne der EU-Kommission positioniert sich unser Berufsstand in Deutschland deutlich. Der landwirtschaftliche Berufsstand kann sich nicht nur auf seine ureigene Tätigkeit, Lebensmittel, Rohstoffe und erneuerbare Energien zu erzeugen, beschränken. Wir müssen uns weiterhin auf EU-, Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene für unsere Interessen einsetzen und stark machen, sei es für den Einsatz unserer Produktionsmittel oder für den Erhalt unserer Flächen und für einen Kampf gegen unsinnige Auflagen. Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau wird sich daher bei politischen und fachlichen Gesprächen immer wieder für die Anliegen unserer Bauern- und Winzerfamilien einsetzen.
Wir Bäuerinnen und Bauern arbeiten auf unserer Scholle und mit unseren Tieren. Ungeachtet unserer Kämpfe mit der Natur und der Bürokratie mit all ihren Auflagen, sollten wir dankbar sein für all das, was wir auch dieses Jahr wieder erreicht haben und worauf wir stolz sein können. Ob wir an einen Schöpfer glauben oder nicht, es ist nicht selbstverständlich, dass wir unsere Bevölkerung ernähren können. Dafür sollten wir dankbar sein, Gott, unserer Umwelt und nicht zuletzt unseren Familien, die uns unterstützen. Das vergessen wir allzu schnell. Die Erntedankfeste erinnern uns daran.
Ich wünsche Ihnen allen bei der Ernte, der noch auf dem Acker stehenden Feldfrüchte viel Erfolg und beste Qualitäten sowie den Tierhaltern Glück im Stall. Vor allem wünsche ich Ihnen weiterhin Freude an unserem sehr wichtigen und erfüllenden Beruf. Vielleicht ist die Landwirtschaft nicht alles, aber ohne sie wäre alles nichts.
Marco Weber
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau