Während des Deutschen Bauerntages in Cottbus zeigten die Delegierten des Bauern- und Winzerverbandes Präsenz und vermittelten in vielen Gesprächen die Forderungen ihres Landesverbandes gegenüber den Vertretern der Politik und Verbänden. © BWV Rheinland-Nassau e.V.

Deutscher Bauerntag 2024 in Cottbus – Rukwied fordert deutliche Erhöhung des EU-Agrarbudgets

Cottbus. Die Delegierten des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau setzten sich während vieler Gespräche im Laufe des Deutschen Bauerntages im brandenburgischen Cottbus für die Interessen der Landwirte und Winzer in Rheinland-Nassau ein. Unter der Leitung von BWV-Präsident Marco Weber verfolgten die Delegierten unter anderem die Grundsatzrede des Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Dieser brachte während der ersten Mitgliederversammlung nach den Winterdemonstrationen seine Freude darüber zum Ausdruck, dass die Bauern- und Winzerfamilien viel Aufmerksamkeit in der Gesellschaft erzielt hätten: „Weitere gesellschaftliche Organisationen haben sich mit uns solidarisch erklärt und wir haben erreicht, dass über 80 Prozent der deutschen Bevölkerung hinter den Anliegen des bäuerlichen Berufsstandes stehen“. Das habe die Gesprächsbereitschaft seitens der Politik deutlich verbessert. Die Demonstrationen hätten schließlich zu einer Rücknahme der KFZ-Besteuerung landwirtschaftlicher Maschinen und zu einer zeitlichen Staffelung des Agrardieselabbaus geführt.

Auch im Ausland habe man die friedliche Art der Demonstration mit Bewunderung kommentiert. Auch die EU-Kommission reagierte auf die Proteste, die sich von Deutschland in andere EU-Mitgliedsstaaten ausweiteten. Die Entlastungsbeschlüsse, die Brüssel dann im Schnellverfahren umgesetzt hat, könnten sich die deutschen Bauern „auf ihre Fahne schreiben“. Auch die Rücknahme des Verordnungsentwurfs zu nachhaltiger Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), sei den Aktionen zu verdanken. Die GLÖZ-Varianten seien teilweise erleichtert worden. Für die kommende Legislaturperiode des EU-Parlaments sei eine neue Basis für Verhandlungen geschaffen worden.

Rukwied dankte den demonstrierenden Bäuerinnen und Bauern für ihre Bereitschaft über Wochen den Druck durch die verschiedenen Formen der Demonstrationen aufrecht gehalten zu haben und ihre Fähigkeit den Versuchen Rechtsradikaler, die Demos für sich zu vereinnahmen, entschieden entgegen getreten zu sein. Die deutsche Landwirtschaft stehe stets zum Grundgesetz und zu einem gemeinsamen, starken Europa, das schließlich Garant für den Frieden dieser Teil der Welt sei. Gerade die Landwirtschaft sei eine stabile Säule der Demokratie und das stärke die landwirtschaftlichen Verhandlungsführer bei politischen Auseinandersetzungen.

Leider müsse man feststellen, dass die anfängliche Offenheit für die Anliegen der Landwirte in der Bundesregierung sehr schnell wieder dem täglichen Geschäft gewichen sei. Teile der Politik, so Rukwied, hätten die Botschaft der Bäuerinnen und Bauern doch nicht verstanden: „Das Düngegesetz, das Tierschutzgesetz und ein neues Pflanzenschutzgesetz wurden auf den Weg gebracht. Hören die deutschen Politiker eigentlich nicht zu? Die jetzt geplante Einführung einer Gewinnglättung sowie zusätzliche Ökoregelungen für Grünlandbetriebe sind deutlich zu wenig. Damit sind wir nicht zufrieden!“, betonte Rukwied. Die Aussage, die Koalition habe „das größte Agrarentlastungspaket der letzten Jahrzehnte geschnürt“, empfinde er als Hohn. Rukwied betonte, dass lediglich von einem Päckchen gesprochen werden könne. Es sei „Lichtjahre“ von dem entfernt, was für die Landwirtschaft notwendig sei. Die Agrarpolitik benötige eine Neuausrichtung. Er habe den Verdacht, dass die Regierung von der Tragweite ihrer Entscheidungen nichts verstehe. Deutschland benötige endlich eine Politik für die junge Generation. Das Tierschutzgesetz mit seinen geplanten Regelungen zur Ringelschwanzkürzung, Sedierung bei der Enthornung oder das Kupieren der Schafsschwänze seien in keiner Weise zielführend. All diese Regelungen gingen weit über das EU-Recht hinaus. In Deutschland gäbe es nur noch 15.000 Schweinehalter. Trotz dieser katastrophalen Entwicklung lege die Regierung einen Entwurf vor, der auch die letzten Schweinehalter in die Knie zwinge: „Das lassen wir nicht zu! Wir kümmern uns um unsere Tiere und um ihr Wohl. Jedes dritte Schwein in Deutschland lebt bereits in einem Tierwohlstall“, machte der DBV-Präsident deutlich. Er schlug eine Erhöhung der Steuern auf Lebensmittel um zwei bis drei Prozent, um die Bereitstellung der finanziellen Mittel, die für die Förderung des Tierwohls notwendig seien. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent sei hingegen nicht sinnvoll, da die Lebensmittel für viele Verbraucher sonst zu teuer würden. Bisher habe die Bundesregierung aber kaum Vorschläge des bäuerlichen Berufsstandes umgesetzt. Erleichterungen beim Bau- und Umweltrecht seien immer noch nicht vollzogen. Dabei benötigten die Tierhalter dringend Perspektiven. Nur eine „starke Tierhaltung“ könne die Zukunftsfähigkeit der Tierhalter garantieren.

Die deutschen Bäuerinnen und Bauern seien in vielen Bereichen der Landwirtschaft Weltspitze. Als Beispiel nannte Rukwied die Düngung. Die landwirtschaftlichen Unternehmer würden den Nährstoffbedarf ihrer Pflanzen ermitteln, die Gehalte in den Böden analysieren und die Düngemittel möglichst exakt ausbringen. Eine Überdüngung werde weitgehend verhindert: „Wir brauchen keine Stoffstrombilanzierung. Das ist lediglich ein Bürokratiemonster und für die Ermittlung der Düngemengen absolut unnötig“. Weiter ging Rukwied auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft ein. Die Landwirtschaft selbst habe größtes Interesse an der Reduktion des Mitteleinsatzes. Hier seien schon deutliche Erfolge erzielt worden, aber in warmen, feuchten Jahren sei eine Reduktion nun einmal nicht möglich, da sonst die notwendige Qualität der Kulturen nicht erzielt werden könne. Die Landwirtschaft benötige auch eine vielfältige Anzahl an Pflanzenschutzmitteln, um ein effektives Resistenzmanagement führen zu können. Ergänzend müssten im Bereich der Züchtung praktikable Techniken erlaubt sein. CRISPR/Cas sei eine von mehreren Technologien, die es einzusetzen gelte. Unsinnige Überlegungen zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln in der Politik seien nicht notwendig und völlig überflüssig.

„Junge Menschen möchten die Zukunft gestalten, aber 40.000 Hektar aus der landwirtschaftlichen Produktion zu nehmen, um diese wieder in Moore zu verwandeln, versetzt diesen Menschen einen Schlag. Moorregionen sind schließlich auch Lebensraum für die Menschen. Selbst der Flughafen bei München wurde in einem Moor errichtet. Die Verabschiedung des EU-Renaturierungsgesetzes (NRL) ist ein Skandal. In den 70er Jahren waren sowohl die Luft- als auch die Wasserqualität deutlich schlechter als heute und trotzdem möchte man nun weite Teile des Landes der Landwirtschaft entziehen“. Rukwied forderte die Politik auf, das Renaturierungsgesetz neu zu diskutieren, damit auch die Moorregionen Perspektiven für die Zukunft hätten.

Nutztierschutz vor Wolfsschutz

Der DBV-Präsident betonte, dass jeder Landwirt eine emotionale Beziehung zu seinen Tieren habe. Auch deshalb gehe Nutztierschutz vor Wolfsschutz! Daran ließ er keinen Zweifel. Weiterhin forderte Rukwied die Politik auf, die Betriebe bei der Umsatzsteuerpauschalierung gerechter zu behandeln und endlich die Berechnungen auf eine realistische Grundlage zu stellen. Eine Gewinnglättung, wie sie jetzt kommen soll, genüge nicht. Auch eine Risikoausgleichsrücklage müsse den Betrieben künftig zur Verfügung stehen. Völliges Unverständnis zeigte Rukwied über den Vorstoß des Bundeskanzlers, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen. Dies sei verantwortungslos, besonders gegenüber den Sonderkulturbetrieben. Dies wäre das Aus für viele Obst- und Gemüsebetriebe. Der Kanzler müsse sich aus dieser Debatte raushalten. Hier gelte immer noch die Tarifautonomie. Es sei ein unsäglicher Zustand, dass sich die Politik in die Tarifautonomie einmische.

Der bäuerliche Berufsstand werde weiterhin in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) arbeiten. Die soziale Gerechtigkeit, das Tierwohl sowie der Arten- und Umweltschutz seien u.a. wichtige Leitlinien bei der Ausgestaltung der Agrarpolitik. Die Wirtschaftlichkeit der Betriebe müsse dabei eine zentrale Rolle spielen. Folglich müsse die Integration dieser Themen in die Agrarpolitik auch mit einer praktisch sinnvollen Umsetzung einhergehen. Deshalb forderte Rukwied die Europäische Union auf, das EU-Agrarbudget zu erhöhen. Schließlich sei die Landwirtschaft Teil der Lösung beim Klimaschutz durch Reduzierung des Kohlenstoffdioxid, der Erzeugung erneuerbaren Energien und Biokraftstoffe, die in Zukunft steuerfrei sein müssten. Gesellschaftliche Leistungen müssten gesellschaftlich finanziert werden. Wenn diese Leistungen zu nehmen, müsste auch das Budgets erhöht werden. Eine Teller- und Tankdiskussion, wie sie von einigen politischen Parteien und den NGOs geführt würde, sei rational nicht begründbar. Schließlich müssten neue Techniken genutzt und fossile Ressourcen geschont werden. Jede Form von Ideologie habe hier nichts verloren. Ideologien verhinderten lediglich Veränderungen und das könne sich eine moderne Gesellschaft nicht leisten. Im Gegenteil seien Forschungsergebnisse aus der Praxis und der Wissenschaft intensiver zu nutzen. Die junge Generation müsse sich über die Nutzung von Innovationen entfalten können. Dabei sollte die Politik diese Entwicklung begleiten und nicht ausbremsen. Die verantwortlichen Politiker müssten endlich den Mut aufbringen, den Aufbruch zu wagen. Die Bevölkerung stehe jedenfalls mit deutlicher Mehrheit hinter der Landwirtschaft.

Der Deutsche Bauernverband habe in den vergangenen vier Jahren auch in seiner inneren Ausrichtung viele Themen aufgegriffen. Der Verband sei weiblicher und jünger geworden. Frauen hätten sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene einen neuen, wichtigen „Spirit“ in den Verband gebracht. Präsident Rukwied dankte ausdrücklich den ehrenamtlich engagierten Frauen im bäuerlichen Berufsstand für ihren Einsatz. Sie seien es gewesen, die die Initiative „Zukunftsbauer“ auf den Weg gebracht hätten. Diese Initiative werde sich über Jahrzehnte hinweg entwickeln, sie sei aber nun auf den Weg gebracht. Zur Zukunftsbauer-Initiative gehörten alle wichtigen landwirtschaftlichen Themen wie Tierschutz, Ernährung, politisches Engagement, Biodiversität und viele mehr. Der Weg müsse nun weiter beschritten werden. Damit festige die Landwirtschaft ihren Platz in der Mitte der Gesellschaft. Auch habe sich in den vergangenen vier Jahren die Kommunikation innerhalb und außerhalb des Verbandes deutlich verbessert. Dabei spiele die zeitnahe App-Kommunikation eine wichtige Rolle. Nun sei es möglich, Strategien und Aktivitäten schnell und einfach mitzuteilen. Die Themen Ernährungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit würden auch weiterhin zentrale Themen in der deutschen Gesellschaft bleiben. Gerade die Ernährungssicherheit sei weltweit ein Garant für stabile Gesellschaften. Die Politik müsse daher ihre Landwirtschaft unterstützen. Deutschland brauche eine starke Land- und Ernährungswirtschaft, die Perspektiven habe. Mit den Worten „Wir sind stark, lasst uns Leitplanken für die Zukunft setzen“ beendete Rukwied seine Grundsatzrede.

Bei der anschließenden Wahl des Vorstandes des Deutschen Bauernverbandes wurde Joachim Rukwied mit 88 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt. Ebenfalls gewählt wurden als Vizepräsident Günther Felßner aus Bayern mit 76 Prozent, Dr. Holger Hennies aus Niedersachsen mit 85 Prozent, Karsten Schmahl aus Hessen mit 93 Prozent und Torsten Krawczyk aus Sachsen mit 97 Prozent.