Özdemir: „Kommission muss die SUR überarbeiten!“
Münster. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sprach während des Deutschen Bauerntages in Münster vor den Delegierten. „Ich bin jederzeit zu Gesprächen bezüglich des Umbaus der Tierhaltung und des Abbaus von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft bereit“, erklärte er zu Beginn seiner Ansprache. Er sieht es als Pflicht an, die Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft umzusetzen. Ihm sei es wichtig, dass die Tierhaltung zukunftsfest gemacht werde. Dies gelte sowohl für den Bereich Tierwohl als auch für die Bereiche Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit.
Von 2010 bis 2020 hätten sich die schweinehaltenden Betriebe von 60.000 auf 32.000 fast halbiert. Es sei nun dringend notwendig, die Tierhaltung umzubauen. Er setze sich dafür ein, dass ostasiatische Länder, wie China und Südkorea, künftig wieder deutsches Fleisch importieren würden. Dies würde den heimischen Markt entlasten und die Wirtschaftlichkeit der Betriebe verbessern. Gerade die jungen Betriebsinhaber bzw. ‑nachfolger seien bereit, die Betriebe krisenfest zu machen. Das müsse aber finanziert werden. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sei eine wichtige Säule, die nun umgesetzt werde. Die Verbraucher hätten während ihres Einkaufs nun eine bessere Entscheidungsgrundlage und die Betriebe könnten fair entlohnt werden. Die jetzige Umsetzung, so Özdemir, sei ein Ergebnis langjähriger, intensiver Diskussionen. Auch der Deutsche Bauernverband hätte sich neben weiteren Institutionen und Verbänden in die Diskussion eingebracht. Die aktuelle Ausgestaltung des Gesetzes sei ein erster Aufschlag. Eine Ausweitung auf die Gastronomie, verschiedene Verarbeitungsprodukte und andere Tierarten sei geplant.
Weiterhin müsse auch die Herkunftskennzeichnung geregelt werden: „Was ich national erreichen kann, werde ich auf den Weg bringen. Die Verbraucher möchten nicht nur über die Haltung, sondern auch über die Herkunft Bescheid wissen!“, ist Özdemir überzeugt. Er werde sich für eine EU-weite Herkunftskennzeichnung einsetzen. Neben der Tierhaltungskennzeichnung seien auch die baurechtlichen Anpassungen vorgenommen worden. Nun sei es möglich, den Umbau von Ställen mit höheren Standards schneller umzusetzen. Das Bundesprogramm werde Investionen fördern und laufende Kosten, die das Tierwohl erfordere, bis zu 10 Jahre teilweise übernehmen. Somit erhielten die Unternehmen Planungs- und Investitionssicherheit. Bezüglich der Finanzierung erläuterte Özdemir, dass die Borchert-Kommission jährlich 3 bis 4 Milliarden Euro an Kosten veranschlagt habe. Diese bezögen sich aber auf alle Tierarten und nicht nur auf schweinehaltende Betriebe. Er werde weiter darum kämpfen, die Finanzmittel für alle Nutztierarten und über einen längeren Zeitraum hinweg sicherzustellen. Er arbeite weiterhin an der finalen Finanzierung des Tierschutzes. Geld sei nicht besser anzulegen.
„Ich stelle mich nicht gegen eine Reduzierung der Mittel (SUR) um 50 Prozent bis zum Jahr 2030. Ich werde mich aber gegen ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten einsetzen“, so Özdemir. Bezüglich der 50 Prozent-Reduzierung müsse aber das Referenzjahr berücksichtigt werden. Staaten mit intensiven Vorleistungen dürften nicht bestraft werden. Außerdem seien die künftigen Vorgaben bürokratiearm zu verabschieden. Die Pflanzenschutzstandards würden EU-einheitlich erarbeitet und umgesetzt werden. Er rief die Europäische Kommission auf, die SUR grundlegend zu überarbeiten. Die Lösungen u.a. in Baden-Württemberg könnten dabei beispielhaft sein und evtl. als Blaupause genutzt werden.
Die ökologische Landwirtschaft werde weiterhin gefördert. Es bleibe das Ziel der Bundesregierung, dass 30 Prozent der Betriebe bis zum Jahr 2030 ökologisch bewirtschaftet würden. Dennoch lasse er keinen Streit zwischen konventionellen und ökologisch wirtschaftenden Betrieben zu. Beide Formen der Bewirtschaftung hätten ihre Berechtigung. Auch eine Wiedervernässung von Moorstandorten sei mit ihm nur zu machen, wenn dadurch die landwirtschaftlichen Flächen nicht verloren gingen. Ein vollständiges Entziehen der Flächen aus der Landwirtschaft werde er nicht zulassen.
Freiflächen-Photovoltaikanlagen würden die Preise für landwirtschaftliche Flächen anheizen. PV-Anlagen gehörten über Parkplätze, Straßen und auf Dächer. Alles andere sei der falsche Weg, erklärte Özdemir.
Für Biogas brach Özdemir eine Lanze: „Wir benötigen mehr Biogas. Biogas ist grundlastfähig, daher müssen Schwellen und Hindernisse abgebaut werden.“
Die Kürzung der Bundesmittel für die Berufsgenossenschaft werde er verhindern. Auch die geplante Kürzung der GAK-Mittel sei um die Hälfte reduziert worden. Die Bekämpfung des Hungers benötige wirtschaftlich starke landwirtschaftliche Betriebe. Außerdem entscheide sich auf dem Land die Zukunft der Demokratie in Deutschland. Auch hierfür sei eine starke Landwirtschaft notwendig.
Özdemir sieht aber auch eine wichtige globale Komponente in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft müsse weltweit nachhaltiger werden. Überall müssten die Staaten versuchen, einen hohen Selbstversorgungsgrad zu erreichen. Daher werde er die Landwirtschaft in Deutschland schützen. Dazu gehörten das Eigentum der Flächen, praxisrelevante Züchtungstechniken, Kooperationen, ein starker Agrarhandel und vieles mehr.
In der anschließenden Diskussion forderte u.a. LandFrauenpräsidentin Gudrun Breuer nicht nur eine Tierschutzbeauftragte zu installieren, sondern auch einen Beauftragten für den Erzeuger-Verbraucherdialog. Die Landwirte wüssten sehr wohl, wie sie mit ihren Tieren umgehen müssten und wie diese zu pflegen und zu halten seien. Vielmehr müsste das Miteinander von Landwirtschaft und Gesellschaft in den Fokus der Agrarpolitik treten.
Landwirtschaftsminister Özdemir strahlte Zuversicht aus, die jedoch nicht alle Delegierten teilten