Deutscher Bauerntag 2023 in Münster

Die Vertreter des BWV Rheinland-Nassau setzten sich für die Interessen der Bauern- und Winzerfamilien in Rheinland-Pfalz ein.
Die Vertreter des BWV Rheinland-Nassau setzten sich für die Interessen der Bauern- und Winzerfamilien in Rheinland-Pfalz ein.

Selbstversorgung an Lebensmitteln ist Stabilitätsgarant

Münster. Der jährlich stattfindende „Deutsche Bauerntag“ fand 2023 in der letzten Juni-Woche in Münster/Westfalen statt. Er stand ganz im Zeichen der wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen für die landwirtschaftlichen Betriebe und trug das Motto „Perspektiven schaffen – Zukunft bauen.“ Der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau besuchte den Bauerntag mit 12 Delegierten und 10 weiteren Vertretern unter anderen aus den Reihen der Landjugend und der Landfrauen. In seiner Grundsatzrede vor dem „Bauernparlament“ machte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, deutlich, dass die bisher von Frieden und Sicherheit geprägten Zeiten nun von Verwerfungen, wie Lieferengpässen und Energiepreisexplosionen, überschattet würden. Die Versorgung mit Lebensmitteln sei dennoch Grundlage jeglicher staatlichen Stabilität. So wäre ein instabiles Russland, eine Situation, die aufgrund der aktuellen Ukrainekrise jederzeit eintreten könne, eine Katastrophe für die globale Ernährung der Menschheit. „Die Lebensmittelsicherheit steht in Deutschland nicht an erster Stelle, weil wir Bauern immer für volle Teller gesorgt haben. Darauf können wir Stolz sein!“, betonte Rukwied. Daher erneuerte er die Forderung des DBV, die Ernährungssicherung endlich ins Grundgesetz aufzunehmen. Nur sie garantiere stabile gesellschaftliche Verhältnisse.

Die landwirtschaftlichen Märkte seien zur Zeit sehr volatil. Das treffe sowohl für die landwirtschaftlichen Kulturen also auch für die Produktionsfaktoren zu. Somit sei die Landwirtschaft weniger planbar als vor der Ukrainekrise. Hinzu komme eine Inflation, die das wirtschaftliche Risiko erhöhe. Umso wichtiger sei eine Regierung, die Perspektiven aufzeige und die helfe, Probleme zu lösen. Beides sei aber aktuell nicht zu erkennen, machte der DBV-Präsident klar.

Der Wirtschaftsstandort Deutschland falle im weltweiten Ranking immer weiter ab und rangiere mittlerweile im globalen Vergleich auf Platz 22 – hinter China. Ein grundlegendes Problem sei, dass die ländliche Politik von überwiegend urbanen Menschen und aus deren Sichtweisen und Einstellungen heraus gestaltet werde. Somit sei sie mangels unvermeidbarer Fehleinschätzungen zum Scheitern verurteilt, machte Rukwied deutlich. Deshalb sei es auch völlig falsch bei der Gemeinschaftsaufgabe zur Förderung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) 400 Mio. Euro, rund die Hälfte der bisherigen Mittel, streichen zu wollen. Das hätte ein Ausbluten des ländlichen Raumes zur Folge.

Rukwied: „Bauernland gehört in Bauernhand, Hände weg von unserem Eigentum!“

„Wir stehen zu den Zielen des Green Deal. Die Landwirtschaft ist bereit für mehr Naturschutz, Tierschutz und Klimaschutz. Dafür benötigt sie aber Unterstützung und Verständnis seitens der Gesellschaft,“ rief Rukwied zur Zusammenarbeit auf. Diese Zukunftsziele könnten nur umgesetzt werden, wenn die Betriebe auch ökonomische Anreize erhielten. Junge Menschen müssten in ihren Betrieben wirtschaftliche Perspektiven erkennen, damit sie diese übernehmen und in die Zukunft investieren würden. Maßnahmen, die seitens der EU- Kommission im Gesetz zur Naturwiederherstellung (Nature Restoration Law) geplant seien, lehne der DBV ab. Besondere Sorge bereite ihm dabei, das geplante Vorkaufsrecht für Umweltschutzorganisationen bzw. Nichtregierungsorganisationen (NGO). Rukwied erklärte: „Bauernland gehört in Bauernhand, Hände weg von unserem Eigentum!“

Deutschland benötige eine effektive Tierhaltung und Eigenversorgung der Bevölkerung. Dafür seien wirtschaftlich interessante Rahmenregelungen notwendig. Leider sei davon derzeit nichts zu spüren. „Insbesondere die Tierhalter suchen aktuell händeringend nach Signalen für eine zukunftsfähige Tierhaltung in Deutschland. Hier drängt die Zeit massiv – wir erleben bereits jetzt einen Strukturbruch. Angesichts dessen ist es vollkommen unverständlich, dass die in Dialogprozessen erarbeiteten Empfehlungen zum Umbau der Tierhaltung nicht stärker übernommen, sondern lediglich bruchstückhaft umgesetzt werden“, kritisierte Rukwied die

Bundesregierung deutlich. Die geplante Tierhaltungskennzeichnung müsse zeitnah auch auf die Sauenhaltung mit Ferkel, die Systemgastronomie und dann auch auf alle anderen Nutztiere ausgedehnt werden. Dabei sei es wichtig, Transparenz zu schaffen und die Herkunftskennzeichnung endlich einzuführen, damit der Verbraucher eine bewusste Entscheidung treffen könne. Mit großer Sorge beobachte man, dass die deutsche Tierhaltung aufgrund höherer Auflagen und Kosten weltweit nicht mehr wettbewerbsfähig sei und es auch innerhalb der EU zu massiven Verschiebungen komme. Innerhalb eines Jahres seien über 10 Prozent der schweinehaltenden Betriebe in Deutschland verschwunden und zeitgleich der Import von Mastschweinen aus Spanien enorm gewachsen. Die seitens des DBV prognostizierte Verlagerung der Tierhaltung an günstigere Standorte sei in vollem Gange. Die Tierhaltung werde für eine ausgewogene Ernährung, für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft und für die Zukunft des ländlichen Raumes benötigt. Wer sonst sichert die Offenhaltung der Grünlandregionen und verhindert die Verbuschung. Die Rinder seien daher ein wichtiger Teil zum Erhalt der Kulturlandschaft in den Mittelgebirgen Deutschlands. Kühe wegen ihres Methan-Ausstoßes als Klimaschutzmaßnahme zu Töten, wie dies in Irland diskutiert werde, lehne der DBV vehement ab.

Die Branche sei grundsätzlich bereit noch mehr gesellschaftliche Leistungen umzusetzen. „Landwirtschaft kann noch mehr Klima-, Natur- und Artenschutz. Dieses

Potenzial kann aber nur mit produktionsintegrierten Maßnahmen ausgeschöpft werden“, betont der Bauernpräsident. Dass insbesondere auf EU-Ebene dieses Potenzial jedoch leichtfertig mit Einschränkungen konterkariert werden solle, entbehre jeglicher Sinnhaftigkeit. „Die pauschalen Vorgaben und Verbote der Sustainable Use Regulation (SUR) und des Nature Restoration Law (NRL) würden in erster Linie zahlreiche Betriebe in ihrer Existenz gefährden und zu einer Verringerung der landwirtschaftlichen Erzeugung in Europa führen. Die Lebensmittelerzeugung würde lediglich in Drittländer verlagert, wo unter deutlich geringeren Standards gewirtschaftet wird“, kritisiert Rukwied weiter.

Die Landwirtschaft sei grundsätzlich bereit, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu reduzieren und habe dies auch bereits in großem Umfang getan. Die Vorschläge aus Brüssel seien völlig indiskutabel. Deshalb habe er auch gegenüber dem stellvertretenden Kommissionspräsidenten Frans Timmermans deutlich gemacht, dass das völlige Verbot von Pflanzenschutzmitteln keine praxisnahe Option sei. Ein Totalverbot in Schutzgebieten jeglicher Art werde seitens der Berufsstandes unumwunden abgelehnt. Auch eine geplante Herausnahme von 10 Prozent der Flächen aus der landwirtschaftlichen Produktion werde nicht akzeptiert. Zum einen werde dadurch die Biodiversität nicht unterstützt und zum anderen werde die Ernährungssicherung mit Füßen getreten. Rukwied fehle der kooperative Ansatz und die Kreativität. Es gäbe gute Beispiele in Deutschland, die die Politik sich zum Vorbild nehmen könne. Er verwies dabei auf die deutschen „FRANZ“-Betriebe und kooperative Regelungen in Baden-Württemberg und Niedersachsen, die zu guten Ergebnissen bei der Biodiversität führen würden.

Dass es nicht genüge Biodiversitätsmaßnahmen anzubieten, zeigten die aktuellen Anmeldungen bei den Ökoregelungen. Was nicht wirtschaftlich interessant sei und auch nicht in die betrieblichen Abläufe passe würde von den Betrieben nicht angenommen.

Deshalb laute die Forderung des DBV, dass die Eco-Schemes viel besser den Bedürfnissen der Betriebe angepasst und wirtschaftlich attraktiv ausgestaltet sein müssten. Die Eco-Schemes-Angebote seien daher dringend und zwingend zu optimieren.

„Der Klimawandel trifft uns Landwirte zuerst. Wir wollen die landwirtschaftlichen Emissionen reduzieren und den Klimaschutz fördern. Dafür müssen die Bäuerinnen und Bauern ihre „Werkzeuge“, wie zum Beispiel Herbizide, behalten.“ Rukwied wolle dort, wo Kohlestoffsenken in Form von Humus aufgebaut werden sollten, nicht auf den Pflug zurückgreifen müssen. Hier sei die Minimalbodenbearbeitung das Mittel der Wahl und somit auch ein „gerüttelt Maß“ an Pflanzenschutzmitteleinsatz notwendig. Auch Biodiesel und Bioethanol müssten verstärkt gefördert und die dazugehörige Technik angepasst werden. Die Politik müsse endlich für Lösungen sorgen und den Weg frei für Bio-Fuels machen. Die Landwirtschaft habe ein Potential, das aus ökologischen Gründen nicht ignoriert werden dürfe. Rukwied: „Wir benötigen eine Zeitenwende, hin zu mehr Rationalität und zu einer Zukunft für und mit der Landwirtschaft.“

Für das geplante Mercosur-Abkommen forderte Rukwied angepasste Standards für Südamerika. Handelsabkommen seien zwar notwendig, sie müssten aber einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Mercosur müsse daher dringend nachgebessert werden. Der Agrarteil des Mercosur-Abkommens dürfe in dieser Form nicht in Kraft

treten und müsse zwingend neu verhandelt werden. Auch sieht Rukwied den Lebensmitteleinzelhandel in der Pflicht. Er müsse sich viel stärker auf inländische Waren konzentrieren, die zwar höhere Preise erforderten, aber sie würden die deutschen Strukturen unterstützen. Große Sorgen mache sich Rukwied um die Sonderkulturen, die aktuell katastrophale Betriebsergebnisse aufweisen würden. Hinzu komme ein Mindestlohn, der mit 12 Euro schon viel zu hoch sei. Hier sei die Europäische Union gefordert, einen europäischen Mindestlohn auf einem einheitlichen Niveau einzuführen.

Aktives Bestandsmanagement beim Wolf ist überfällig

Der gute Erhaltungszustand der Wölfe sei längst erreicht. Nun müsste ein Bestandmanagement auf den Weg gebracht werden: „Wer die Bedeutung der Weidehaltung erkennt, muss jetzt politisch handeln. Weidehaltung ist die Basis für Umweltschutz und Biodiversität in allen Regionen Deutschlands.“

Die Politik müsse endlich zukunftsfähige Rahmenbedingungen verabschieden und verlässliche Entscheidungen unter Einbindung der Betroffenen treffen. Die Landwirtschaft sei systemrelevant, daher müsse sie von der Politik unterstützt werden. Am Ende stellte Rukwied fest, dass der Nachwuchs betriebliche Freiheiten benötige, um sich entwickeln zu können. Verbote und Einschränkungen würden den gut ausgebildeten Betriebsleitern nicht gerecht werden.

In der anschließenden Diskussion wurden weitere Themen, wie zum Beispiel Photovoltaik auf Ackerflächen, erneuerbare Energien, Flächenfraß und Moorvernässung, diskutiert. Vizepräsident Walter Clüsserath machte in der Diskussion einen Vorschlag für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln in Landschaftsschutzgebieten. Die Summe der Mittel müsse auch künftig den Winzern zur Verfügung stehen. Über die Hochrisikomittel könne aber diskutiert werden. Als Beispiel nannte er den Pilz Peronospora, ohne dessen Bekämpfung ein Totalausfall der Weintrauben zu erwarten sei. Dieser Befall müsse bekämpfbar bleiben.

Der Deutsche Bauernverband und seine Landesbauernverbände müssen ohne Unterlass Aufklärungs- und Sacharbeit leisten. Viele Entscheider sind sich offenbar über die Folgen vieler Gesetzesentwürfe nicht bewusst.