Hövels. Großes Interesse rief der angekündigte Besuch des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Alexander Schweitzer bei den Mitgliedern des Bauern- und Winzerverbandes im Kreisverband Altenkirchen hervor. Das Bürgerhaus in Hövels war bis auf den letzten Platz belegt. Vorsitzender Josef Schwan aus Wissen wies auf die bäuerlichen Kernanliegen im ländlich geprägten nördlichsten Kreisverband des BWV Rheinland-Nassau hin. Er forderte die Politik und die Verwaltung auf, die besondere Situation der Bauern im ländlichen Raum zu berücksichtigen, beispielsweise die Regelungen zur Ausbringung von Wirtschaftsdüngern. Die Geografie ließe es nicht zu, überall eine streifenförmige Ausbringung sicherzustellen, um Ammoniak-Emissionen zu reduzieren. Gerade für ländliche Regionen sei es daher unverzichtbar, die geografischen und klimatischen Besonderheiten der Mittelgebirgsregionen, beispielsweise auch bei der Förderung von Technik oder der Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit, zu berücksichtigen.
Josef Schwan, zugleich auch Vorsitzender der Interessengemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer (IGJG), machte darauf aufmerksam, dass die afrikanische Schweinepest (ASP) für die Tierhaltung und auch die Jagdgenossenschaften eine latente Gefahr darstelle. In Zusammenarbeit mit allen Akteuren vor Ort – insbesondere mit der Veterinärabteilung des Landkreises – sei es wichtig, für den Fall eines ASP-Ausbruchs vorbereitet zu sein, um schnell und effektiv handeln zu können. Auch der Umgang mit dem Wolf war für Schwan ein zentrales Thema. Angesichts vieler Schaf-, Ziegen-, Damwild- und Pferdehalter sowie einer immer noch hohen Zahl an Rinderhaltern im Kreis müsse die Politik endlich ein Zeichen setzen, die Sorgen der Tierhalter ernst zu nehmen und die Tierhaltung, die maßgeblich auch das Landschaftsbild präge, wirkungsvoll zu unterstützen. Er begrüßte die erfolgten Änderungen in der Berner Konvention zur Absenkung des Wolf-Schutzstatus, forderte aber Bund und Land dazu auf, nun schnell die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für eine Bestandsregulierung zu schaffen, so dass in Zukunft die Entnahme von auffälligen Individuen, wie den GW1896m, auch tatsächlich durchgesetzt werden könne.
An den Ministerpräsidenten gerichtet forderte Schwan darauf dringend eine Reduzierung des landwirtschaftlichen Flächenverbrauchs: „Ein steigender Bedarf für Kompensationen von Eingriffen durch Siedlungsbau, Freiflächenphotovoltaik und Infrastruktur zu Lasten der landwirtschaftlichen Nutzflächen ist schon lange nicht mehr akzeptabel“, betonte der Kreisvorsitzende. Zudem sei auch der Erhalt des Grünlandes nicht zuletzt auch für den Naturschutz von überragender Bedeutung. Dieses könne nur durch die Bewirtschaftung vor allem mit Rindern und anderen Wiederkäuern garantiert werden.
Aus der Bundes- und Landespolitik waren die Gäste ebenso gekommen wie aus dem Landkreis und von befreundeten Organisationen. Der neue Co-Vorsitzende der Landjugend Rheinland-Nassau, Fabian Schüller, begrüßte die Initiative des Kreisverbandes, mit hochkarätigen Vertretern der rheinland-pfälzischen Politik ins Gespräch zu kommen. Dabei sei der Besuch des Ministerpräsidenten für ihn ein Signal der Wertschätzung für den Berufsstand, um die täglichen Zwänge der Bäuerinnen und Bauern im ländlichen Raum aufzugreifen. „Der Dialog zwischen Landwirtschaft und Politik ist entscheidend, gerade für die junge und motivierte nachfolgende landwirtschaftliche Generation. Die Gesellschaft muss gemeinsam mit dem Berufsstand die Weichen für eine Zukunft mit der Landwirtschaft im Land stellen“, so Schüller. Die neu gewählte Bundestagsabgeordnete Ellen Demuth sicherte zu, die Themen der Landwirtschaft in Berlin vertreten zu wollen und ihnen Gehör zu verschaffen.
Ministerpräsident Alexander Schweitzer stellte sich der Diskussion mit den BWV-Mitgliedern und den Gästen. Schweitzer selbst stamme aus einer ländlich geprägten Region, so dass ihm die besonderen Herausforderungen der Menschen dort bekannt seien. Für ihn sei die Landwirtschaft und die damit verbundene Lebensmittelproduktion eine „Schlüsselindustrie“, die es auch in Zukunft besonders zu unterstützen gelte. Gerade in Krisenzeiten sei die Versorgung mit qualitativ hochwertigen und regional produzierten Lebensmitteln wichtiger denn je. Sein Plädoyer für einen flächendeckenden Mindestlohn von 15 Euro die Stunde fand indes weniger Zustimmung bei den Zuhörern, denn dies würde nach Ansicht des Berufsstandes die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Lebensmittelproduktion gegenüber dem europäischen und internationalen Ausland deutlich erschweren. Allerdings blieb der Sozialdemokrat eisern: „Wir wollen für einen gerechten Lohn eintreten, auch um den schwarzen Schafen auf Arbeitgeberseite die rote Karte zu zeigen und um Lohndumping zu vermeiden.“
Der Bürokratieabbau sei ein weiterer Schwerpunkt der rheinland-pfälzischen Landesregierung, um dem Ausufern vieler formaler Regelungen und Dokumentationspflichten durch EU-Verordnungen entgegenzutreten. Es müsse ein Ziel bleiben, die Betriebe von überflüssigen Dokumentationspflichten und Bürokratie zu entlasten, mahnte der Ministerpräsident.
Die jüngsten Meldungen aus der Landeshauptstadt Mainz zum Thema Wolf stimmten allerdings versöhnlich. Viele Vertreter der Jägerschaft, wie Kreisjagdmeister Jörg Wirths oder von der Bürgerinitiative Wolfsprävention Westerwald, um Sprecherin Bianca Belleflamme, begrüßten die Ankündigung der Aufnahme des Wolfs ins Jagdrecht im Rahmen des zu novellierenden Landesjagdgesetz. Allerdings machte Kreisjagdmeister Wirths auch deutlich, dass die Aufnahme in das Jagdrecht nur unter Berücksichtigung von Jagdzeiten Sinn mache. Es dürfe nicht so weit kommen, „dass am Ende die Jäger die Buhmänner sind.“ Der weitere Auf- und Ausbau des Herdenschutzes mit entsprechender Förderung des Landes Rheinland-Pfalz sei gerade im Westerwald notwendig. Denn zu den 320 Rinder haltenden Betrieben, hiervon 50 Milchviehbetriebe, im Kreis Altenkirchen, kämen noch etwa 1.500 Höfe mit Pferden, Schafen oder Damwild hinzu, ergänzte Kreisvorsitzender Josef Schwan.
Für den Präsidenten des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau und Landtagsabgeordneten, Marco Weber, hatten die Themen „Grünlandkartierung“ und „Flächenverbrauch“ hohe Priorität. Er kritisierte den hohen Verbrauch an Flächen, die dem Berufsstand perspektivisch die Grundlage zum Arbeiten entziehen würde. „Wir können mit unseren Flächen nicht mehr so weiter aasen.“ Maß und Mittel stünden nicht mehr im Einklang, etwa im Hinblick auf Ausgleichsflächen und die Flächenkonkurrenz zu Freiflächenphotovoltaikanlagen. Der BWV-Präsident betonte aber auch die große Bedeutung der Arbeit des engagierten Ehrenamtes im Verband und bedankte sich stellvertretend bei den anwesenden Vorsitzenden Josef Schwan (Altenkirchen), Ulrich Schreiber (Neuwied) und Matthias Müller (Westerwald) für ihre engagierte berufsständische Arbeit. Durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt könne der Berufsstand auch bei Gesetzesinitiativen und der politischen Willensbildung einerseits zielgerichtet mitwirken, andererseits auch bei der Beratung und Ausgestaltung von Förderprogrammen die Mitglieder fachkundig bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen.
Das vollbesetzte Bürgerhaus in Hövels goutierte die Reden von Ministerpräsident Schweitzer und Bauern-Präsident Weber im Rahmen der von Kreisgeschäftsführer Markus Mille und seinem Team vorbildlich organisierten Veranstaltung mit viel Applaus. Beide waren vom Staatsakt für den verstorbenen Justizministers von Rheinland-Pfalz, Herbert Mertin, aus Koblenz direkt in den hohen Westerwald geeilt. Als das Zitat des politischen Nachmittages bleibt sicherlich die Aussage von Ministerpräsident Alexander Schweitzer in Erinnerung: „Im ländlichen Raum schlägt das Herz des Landes Rheinland-Pfalz.“ Mit diesem Bewusstsein wird der Bauern- und Winzerverband zusammen mit seinen Kreisverbänden entsprechende Forderungen an die Landespolitik zur kommenden Landtagswahl 2026 formulieren, mit den Kreisvorständen diskutieren und sodann den Parteien rechtzeitig vorlegen.