Große Demonstration in Berlin – Bundesregierung hält an Agrardieselsteuererhöhung fest

Berlin. Viele tausend Bäuerinnen und Bauern, Unterstützer aus dem Transport- und Gastgewerbe sowie des Handwerkes demonstrierten am Montag in Berlin vor dem Brandenburger Tor gegen weitere Verschärfungen durch die Bundesregierung. Auch aus dem Verbandsgebiet des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau hatten sich zwei Busse aus Eifel und Westerwald auf den Weg gemacht. Aus dem Hunsrück reisten die Bauern mit der Bahn nach Berlin, um bei der Großdemonstration dabei zu sein.

Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, freute sich über die geschätzten 30.000 Menschen und 6.000 Schlepper, die nach Berlin gekommen seien, um ihren Forderungen gegen weitere wirtschaftliche Verschärfungen Nachdruck zu verleihen. Rukwied rief den Teilnehmern und den Vertretern der Bundesregierung zu: „Es reicht, zu viel ist zu viel. Nehmen Sie die geplanten Steuererhöhungen zurück.“

Der Bauernpräsident verwies auf das große Engagement der Bäuerinnen und Bauern während der vergangenen Aktionswoche in Deutschland, die mit über 100.000 Schleppern und noch mehr Bäuerinnen und Bauern umgesetzt wurde. Hunderte von Veranstaltungen hätten, laut Rukwied, der Politik und der Gesellschaft deutlich gemacht, dass die Landwirtschaftsfamilien für ihre Interessen und für die Selbstversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln eintreten würden: „Ohne uns kein Essen!“, betonte er. Er stellte fest, dass alle Demonstrationen der vergangenen Woche auf dem Boden des Grundgesetzes stattgefunden hätten und die Bäuerinnen und Bauern ihre Anliegen auf demokratischer Basis vorbringen würden. Dankbar zeigte sich Rukwied darüber, dass es gelungen sei, Rettungswege für Einsatzfahrzeuge frei zu halten. Das habe ihm auch die Polizei bestätigt.

Rukwied gab zu, dass er grundsätzlich ein kompromissbereiter Mensch sei, es müsse sich aber um faire Kompromisse handeln. Die Abschaffung der Agrardieselsteuerrückvergütung sei aber kein fairer, sondern ein „fauler Kompromiss“, da er die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft am EU-Binnenmarkt nachhaltig schwächen würde. Die Regierung sei drauf und dran der Landwirtschaft ihre Arbeit wegzunehmen. Deshalb werde der Berufsstand weiterhin mit seinen Schleppern auf die Straßen gehen, bis die Regierung die Forderungen nach Rücknahme der Steuererhöhungen erfüllen werde. Umfragen hätte ergeben, dass 70 bis 80 Prozent der Mitbürger hinter der Landwirtschaft stünden. Dies sei großartig und zeige, dass insbesondere die ländliche Bevölkerung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft eine hohe Wertschätzung entgegenbringe. Die Bürger im Lande stünden aber auch deshalb hinter der Landwirtschaft, weil sie der Meinung seien, dass sich die Politik wieder stärker am Willen der Menschen orientieren müsse. Eine gesicherte Versorgung mit heimischen, regionalen Lebensmitteln sichere die Demokratie. Das dürfe die aktuelle Regierung nicht außer Acht lassen.

„Wir benötigen wieder eine Politik, die arbeitende Menschen entlastet und nicht immer weiter belastet. Daher ist in der Regierung dringend ein Sinneswandel notwendig,“, so Rukwied. Das gelte auch für weite Teile des Mittelstandes, der wie die Landwirtschaft durch Auflagen und nationale Kostensteigerungen ihre Wettbewerbsfähigkeit weiter verlieren werde. Deshalb stünden die Bauern heute auch nicht alleine hier, sondern würden von vielen Branchen unterstützt.  

Mit der Zukunftskommission Landwirtschaft, der Borchert-Kommission und der Bereitschaft zu einer „grüneren“ Landwirtschaft hätte der Berufsstand bereits Angebote gemacht. Die Regierung hingegen, habe nichts aus all den Ergebnissen der verschiedenen Kommissionen umgesetzt. Die Landwirtschaft habe sich immer für eine Modernisierung, für eine nachhaltige Bewirtschaftung und für eine Berücksichtigung der gesellschaftlichen Wünsche eingesetzt. Der Dank dafür seien immer weitergehende Kürzungen und Auflagen. An die Politik gerichtet rief Rukwied: „Wir sind gesprächs- und kompromissbereit, aber wir fordern selbstbewusst unsere Anliegen ein. Das sind wir uns und der Gesellschaft schuldig.“ Es sei ärgerlich, dass vor den geplanten Kürzungen nicht mit dem Berufsstand gesprochen worden sei. Auch der Bundeslandwirtschaftsminister sei in die Entscheidung der Regierung nicht eingebunden worden. Das mache nachdenklich. Es müsse zwingend über die Auflagen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, also von GLÖZ 1 bis 8, diskutiert werden. Diese müssten endlich der Praxis angepasst werden. Er und alle 30.000 Bäuerinnen und Bauern stünden hier am Brandenburger Tor, um auch in Zukunft noch eine florierende Landwirtschaft zu ermöglichen. Man müsse die Landwirte nur in Ruhe arbeiten lassen. Denn ohne eine stabile Landwirtschaft und einen stabilen ländlichen Raum habe das Land keine Zukunft. „Nehmen Sie die Steuererhöhungen zurück, dann verlassen wir wieder die Straßen“, machte Rukwied am Ende seiner Rede deutlich.

Der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Prof. Dirk Engelhardt, erläuterte die Betroffenheit der Deutschen Transportunternehmen in Anbetracht steigender Mautgebühren und steuerlichen Belastungen. Er erklärte sich und seinen Berufsstand solidarisch gegenüber den landwirtschaftlichen Forderungen. Ohne Landwirtschaft und ohne Transportunternehmen gäbe es keine Nahrungsmittel in den deutschen Haushalten. Der Wettbewerb innerhalb Europas sei bereits völlig verzerrt. Eine Chancengleichheit gegenüber osteuropäischen Transportunternehmen sei längst nicht mehr gegeben. Er forderte daher die Bundesregierung auf, die Doppelbelastung von Maut und CO2-Abgaben – wie es im Koalitionsvertrag stehe – zu beenden, LKW-Infrastrukturen auszubauen und er verlangte ein maßgebliches Mitspracherecht bei der Transformation von Mobilität und Transport in den nächsten Jahren. Er drohte der Regierung, dass auch die Transportunternehmen ihren Forderungen Nachdruck verleihen würden, wenn diese nicht gehört würden.

Claus Hochrein vom LSV betonte, dass die Landwirtschaft nicht alleine sei. Der gesamte Mittelstand gehe mittlerweile auf die Straße. Es sei unlauter, der Landwirtschaft nur die KFZ-Steuer zu erlassen, aber gleichzeitig die Agrardieselsteuerrückvergütung abzuschaffen. Die Landwirtschaft hätte sich in den letzten Jahren genug eingeschränkt. Hochrein nannte die Flächenstilllegung, Düngeverordnung sowie Kürzungen bei den landwirtschaftlichen Sozialversicherungen. Selbst Ministerpräsidenten der SPD stünden hinter den Forderungen des landwirtschaftlichen Berufsstandes. Für die Bundesregierung sei es nun an der Zeit endlich einzulenken. Außerdem seien die Steuervergünstigungen keine Subventionen, sondern ein Ausgleich für die Leistungen des bäuerlichen Berufsstandes. Wenn sich Deutschland erst einmal von Importen abhängig gemacht habe, sei die Versorgungssicherheit des Landes verspielt. Er rief die Regierung zur Umkehr auf.

Landjugend zeigt Lindner die gelbe Karte

Landjugendvorsitzende Theresa Schmidt machte klar, dass es während der Demonstrationen im ganzen Land keinen Platz für die politischen Ränder gegeben habe. Die gesamten Demonstrationen hätten auf der Basis der demokratischen Grundordnung Deutschlands stattgefunden. Die Landjugend lasse sich Einschränkungen, Kürzungen und Verbote nicht mehr länger gefallen. Schmidt vertrete über 100.000 Landjugendliche, die sich für Klima- und Umweltschutz einsetzen würden. Aber sie müssten auch weiterhin von ihren Betrieben leben können. Jetzt sei es endlich an der Zeit miteinander zu sprechen und sie hoffe darauf, dass die Regierung ihre Situation richtig einschätzen und entsprechend handeln werde. Die geplanten Kürzungen seien hingegen ersatzlos zurückzunehmen. Schmidt zeigte Lindner die gelbe Karte und diese werde erst wieder zurückgenommen, wenn sich die Landwirtschaft gegen die internationale Konkurrenz behaupten könne. Nämlich nur dann hätte auch die Jugend auf ihren Betrieben Zukunftsperspektiven. Die Betriebe dürften nicht totgespart werden.

Finanzminister Christian Lindner zeigte Verständnis für den Protest der Bäuerinnen und Bauern im Land und hier in Berlin. Es sei ein enormer Aufwand, Lebensmittel zu erzeugen. Landwirte würden hart arbeiten und die Umwelt schützen. Auch für deren Existenzsicherung sei eine landwirtschaftsfreundliche Politik notwendig. Er appellierte an die Anwesenden, wieder mehr Vertrauen, in die Politik zu setzen. Gerade die FDP setze sich für den Mittelstand ein. Allerdings gehe es auch darum, den Staat wirtschaftlich aus der aktuell verfahrenen Situation wieder herauszuziehen. Die Energiekosten seien enorm hoch und der Staat müsse jährlich 40 Milliarden Euro an Zinsen aufbringen. Als Finanzminister fühle er sich verpflichtet, diese Belastungen zu senken. Davon werde am Ende auch die Landwirtschaft profitieren. Die Bundesregierung werde aber an den Kürzungsplänen bei Agrardiesel festhalten. Er bot den Betrieben an, Belastungen an anderer Stelle zu reduzieren. Lindner wolle in diesem Zusammenhang prüfen, ob die Tarifglättung bei der Einkommenssteuer oder die steuerfreie Risikoausgleichsrücklage ein Weg sei, die Landwirtschaft zu entlasten. Der künftige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln müsse für die Betriebe „planbar sein“, die Auflagen bei der Tierhaltung müssten überprüft werden und eine verbesserte Förderung von Biokraftstoffen sei zu diskutieren. Er wolle auch die obligatorische Stilllegung von 4 Prozent im Rahmen der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) neu diskutieren.

Lindner verwies auf die Kompromissbereitschaft der Bundesregierung, die, anders als zunächst geplant, das grüne Kennzeichen erhalten wolle. Die Abschaffung der Agrardieselsteuerrückvergütung würde zeitlich gestaffelt werden, so dass Zeit bleibe, sich daran anzupassen. Mit dem Wegfall der Rückvergütung müssten dann auch Belastungen für die Betriebe wegfallen. Er werde dafür sorgen, dass den Landwirten nicht immer wieder neue Knüppel zwischen die Beine geworfen würden. Jetzt sei die Gelegenheit über Umweltstandards zu diskutieren, die ideologische Bevormundung der Betriebe zu beenden und dem Realismus wieder mehr Platz einzuräumen. Es sei an der Zeit, ein nachhaltiges Unternehmertum zu schaffen. Lindner könne nicht weitere staatliche Hilfen aus dem Bundeshaushalt versprechen aber mehr Freiheiten für die Unternehmer und mehr Vertrauen in die Arbeit der Bäuerinnen und Bauern.

Die Reaktionen der anwesenden Menschen zeigten, dass sie nicht mit Lindners Aussagen einverstanden sind. Pfeifkonzerte übertönten teilweise die Aussagen Lindners. Die Landwirte geben sich mit dem geplanten Wegfall der Agrardieselsteuerrückvergütung nicht zufrieden.