Rheinisch-Nassauische Obstbautagung

Pflanzenschutz ist Teil des Naturschutzes

Klein-Altendorf. „In Deutschland sind die Auflagen für die Landwirtschaft sehr hoch. Dennoch erwartet Europa von Deutschland die Umsetzung des Green Deal, der „Farm to Fork-Strategie“ und eines Pflanzenschutzpaketes, das Teile der Landwirtschaft akut gefährdet“, betonte BWV-Präsident Ökonomierat Michael Horper vor den Obstbäuerinnen und Obstbauern während der Rheinisch-Nassauischen Obstbautagung in Klein-Altendorf. Mittlerweile, so Horper, kämpften auch Landkreise gegen das drohende Pflanzenschutzmittelverbot in Schutzgebieten. Eine geplante pauschale Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes auf allen übrigen landwirtschaftlich genutzten Flächen um fünfzig Prozent sei in keiner Weise praxisgerecht. Gerade für die Obstbauern, die ohnehin mit den vorhandenen Auflagen nur schwer zurechtkämen, wären weitere deutliche Einschränkungen der „Todesstoß“. „Gegen so viel Unverstand muss massiv gekämpft werden. Hier darf es keine faulen Kompromisse geben“, ergänzte der Präsident.

Er dankte dem anwesenden Staatssekretär Andy Becht für seinen Einsatz für das Kompetenzzentrum in Klein-Altendorf. Sowohl das Land Rheinland-Pfalz, die Landwirtschaftskammer in Nordrhein-Westfalen, als auch die Universität Bonn, das Forschungszentrum Jülich und das Dienstleistungszentrum in Klein-Altendorf setzten sich vehement für die Zukunft dieses für den Obstbau sehr bedeutsamen Standort ein. Es sei wichtig, über Ländergrenzen hinweg Forschung und Beratung aktiv zu unterstützen und den Berufsstand im Bereich des Obstbaus weiter voranzubringen.

Entsetzt zeigte sich Horper über die aktuelle Preissituation im Obstbau: „Es kommt zu wenig beim Erzeuger an. Die Preise im Supermarkt steigen und steigen, die Händler und Discounter lassen aber zu wenig beim Erzeuger ankommen. Das ist das immer wiederkehrende Spiel des Preisdrucks und der Knebelung, die der Handel „seinen“ Erzeugern zumutet.“

Die EU habe zu wenig landwirtschaftlichen Sachverstand, stellte Horper fest. Dies beweise sie einmal mehr im Umgang Deutschlands bei der Umsetzung der Bundesdüngeverordnung. Es sei ein Beispiel aus dem Tollhaus, dass das Modellierungsverfahren des Landes Rheinland-Pfalz nun durch ein rein mathematisches Verfahren ersetzt werde und die Ausweisung der Roten Gebiete alles andere als gerecht oder verständlich sei. Es sei wichtig, nun schnellstens die Anzahl der Messstellen zu erhöhen und sich auf Bundesebene für einzelbetriebliche Lösungen einzusetzen. Die Bundesverordnung müsse diesbezüglich novelliert werden. Das Rechtsempfinden der Menschen werde mit Füßen getreten, wenn Betriebe, die sehr gewissenhaft mit ihren Düngemitteln umgingen, dennoch mit schärfsten Auflagen bestraft würden. Dass die EU dabei von einem Vorsorgeprinzip spreche, sei zynisch.

Perspektiven sieht Horper in der Nutzung von Agri-Photovoltaik-Anlagen: „Die Forschung und Entwicklung verbessert kontinuierlich die Nutzung erneuerbarer Energien auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Es ist überraschend, welche Möglichkeiten gerade PV-Anlagen im Obstbau bereits bieten. Hier wird sich in den kommenden Jahren noch sehr viel weiterentwickeln.“ Horper fordert die Politik auf, die Mehrgefahrenversicherung, die gerade für Sonderkulturbetriebe von großer Bedeutung sei, attraktiv umzusetzen. Die Politik müsse Anreize schaffen, damit den Betrieben bei Extrem-Wetterereignissen geholfen und der Staat entlastet werde.

Landwirtschaftsstaatssekretär Andy Becht betonte, dass die Landwirtschaft nie für Krisen verantwortlich gewesen sei, sondern für Lösungen zur Verfügung stände. Umso wichtiger sei es, der Landwirtschaft Perspektiven zu bieten. Eine Verbotskulisse für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln würde hingegen 37 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, also circa 200.000 Hektar, in Rheinland-Pfalz betreffen. Das sei unverantwortlich. Darüber hinaus sei ein wirtschaftlicher Ausgleich lediglich auf Natura 2000-Flächen möglich. Bisher sei es gelungen, den Obstbau generell aus der Pflanzenschutzmittelanwendungsverordnung herauszunehmen. Hierfür sei ein Erlass von Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt ergangen. Aber auch allen anderen Landwirten müsse der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ermöglicht bleiben. Ohne Landwirtschaft gäbe es keine Naturschutzgebiete. Auch moderne Züchtungsmethoden wie zum Beispiel Genome Editing oder CRISPR Cas seien notwendig, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln effektiv reduzieren zu können. Die EU müsse sich auch in diesem Bereich dringend bewegen.

Die Landwirtschaft benötige künftig verstärkt Bewässerungsmöglichkeiten. Rheinland-Pfalz erarbeite zurzeit ein Bewässerungskonzept, um Dürreperioden besser überstehen zu können. In der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) würden Bewässerungssysteme unterstützt werden. Dies gelte übrigens auch für die operationellen Programme der Erzeugergemeinschaften. Außerdem sei geplant, die Förderung von Bewässerungsstrukturen zu entfristen und somit dauerhaft zu gewährleisten.

Bezüglich der Umsetzung der Düngeverordnung erklärte Becht, dass die Roten Gebiete bereits im Geobox-Viewer einzusehen seien, obwohl diese noch nicht rechtskräftig verabschiedet seien. Alle Möglichkeiten, eine praxisgerechtere Ausgestaltung der Roten Gebiete zu erzielen, seien ausgeschöpft. Die EU habe bereits massiv mit Vertragsstrafen gedroht. Von den ursprünglich vorgesehenen Roten Gebieten mit einer Ausdehnung von fünfzig Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen in Rheinland-Pfalz seien nun noch 29 Prozent betroffen. Er bestätigte die Aussage Horpers, dass das nun geltende arithmetische Verfahren unbefriedigend sei, weil es alle betroffenen Bauern gleich behandele, unabhängig von ihrem Einsatz für den Wasserschutz. Dies sei rechtsstaatlich nicht nachvollziehbar. Das Land werde, so Becht, beim Bund die Berücksichtigung einzelbetrieblicher Situationen beantragen. Dies müsse aber auf dem Gesetzesweg geschehen, der wiederum einige Jahre in Anspruch nehmen werde. Der Bund müsse sich endlich für mehr Gerechtigkeit einsetzen. Das Land werde nun zeitnah weitere 120 Messstellen aufbauen.

Stolz zeigte sich Staatssekretär Becht über die Ausgestaltung des Kompetenzzentrums Klein-Altendorf. Der Versuchsanbau werde fortgeführt, das Personal werde nachgeführt und die Zusammenarbeit mit dem Land Nordrhein-Westfalen, der Landwirtschaftskammer und der Universität Bonn werde gestärkt. In weiteren Punkten sprach Becht über die Einführung der Hofübernahmeprämie, die zu mehr Planungssicherheit für die Betriebe führe. Dass für junge Menschen sowohl die Landwirtschaft als auch der Weinbau attraktiv seien, zeige die Struktur der Auszubildenden. Die Hälfte der Berufsschüler stamme nicht mehr aus landwirtschaftlichen oder weinbaulichen Betrieben.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft und stellvertretende Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Obstbau, Norbert Schäfer, hinterfragte die globalen Lieferketten: „Ist es nicht sinnvoll, lokal zu erzeugen und regional zu vermarkten?“ Die Flutkatastrophe, die Dürren und die Ukraine- und Coronakrisen zeigten eindrucksvoll auf, wie wichtig die regionale Vermarktung sei. Er appellierte an die anwesenden Obstbauern, Kontakt mit ihren Abgeordneten aufzunehmen und diese über die Folgen der seitens der EU geplanten eklatanten Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes aufzuklären. Es müsse die klare Aussage getroffen werden, dass bei einem gesetzlichen Pflanzenschutzmitteleinsatzverbot in Schutzgebieten, auf über dreißig Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen künftig keine Landwirtschaft mehr betrieben werden könne. Ideologie führe nie zu sinnvollen Ergebnissen. Dies zeige auch die Glyphosat-Diskussion. Glyphosat werde auf der Basis von Halbwahrheiten verboten. Bei wissenschaftlicher Betrachtung hätte es niemals ein Glyphosatverbot geben dürfen.

Ein weiteres Problem im Obstbau sei die Anhebung des Mindestlohnes. Zurzeit litten die Obstbaubetriebe unter den geringen Erzeugerpreisen. Bei gleichzeitig erhöhten Mindestlöhnen kämen viele Betriebe wirtschaftlich ins Taumeln. Schäfer kritisierte vorschnelle politische Entscheidungen, ohne die Konsequenzen zu durchdenken und zu beachten. Schäfer dankte allen Akteuren, die an der Zukunft des Kompetenzzentrums Klein-Altendorf mitgewirkt hätten. Das Landwirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz habe sich sowohl auf politischer als auch auf hauptamtlicher Ebene für dieses überaus wichtige Obstbauzentrum stark gemacht. Jetzt stehe nur noch der Mietvertrag aus, der nun in Angriff genommen werden müsse. Ein gutes Versuchswesen, gute Beratung und eine gute Ausbildung, wie sie Klein-Altendorf garantiere, seien maßgeblich für den Betriebserfolg einer ganzen Region verantwortlich.

Anschließend sprach Ralph Gockel, Referent der Landwirtschaftskammer, über die künftige Bedeutung der Bewässerung für landwirtschaftliche Betriebe in Rheinland-Pfalz. Er machte deutlich, dass der Obstbau in Deutschland mit nur 22 Prozent an der Selbstversorgung der Bevölkerung beitrage. Dies sei als Chance zu begreifen. Es bestehe die Möglichkeit, durch die Stärkung des Obstbaus die Wertschöpfungskette zu verbessern. Die sinnvolle Anpassung der Bewässerung an die landwirtschaftlichen Strukturen und die sich ändernden klimatischen Verhältnisse sei ein Gebot der Stunde.

Die anwesenden Obstbauern hatten während der Rheinisch-Nassauischen Obstbautagung Zeit, mit politischen Vertretern und auch Mitarbeitern des Landwirtschaftsministeriums und der Landwirtschaftskammer zu diskutieren. Dabei ging es den Obstbauern vor allem um die Zukunft des Obstbaus. Immer wieder müsse gegen Verbote und Auflagen sowie um Gebietskulissen gestritten werden. Die Politik solle vielmehr dafür Sorge tragen, dass die landwirtschaftlichen und obstbaulichen Betriebe künftig perspektivisch und nachhaltig wirtschaften könnten. Auch der stets steigende Mindestlohn sei gerade im Obstbau ein existenzbedrohender Faktor geworden.