Muss die niedersächsische Landesdüngeverordnung überarbeitet werden?
Die Diskussion über die Düngeverordnungen der Bundesländer hält den Berufsstand seit Jahren in Atem. Ausgehend von europarechtlichen Vorgaben und bundesgesetzlichen Regelungen hat darüber hinaus jedes einzelne Bundesland eine spezielle Landesdüngeverordnung erlassen, um den regionalen Besonderheiten gerecht zu werden. In Rheinland-Pfalz gilt derzeit die Fassung vom 01. Januar 2023, in der die „roten“ nitratsensiblen und „gelben“ phosphatsensiblen Gebiete festgelegt werden. Nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in anderen Bundesländern ist diese Einordnung streitig, insbesondere, was die grundlegenden wissenschaftlichen Fakten angeht, die der erfolgten Ausweisung der Grundwasserkörper oder Teilen davon zugrunde liegen. Daher landen diese Landesdüngeverordnungen nicht selten vor Gericht, so auch in Niedersachsen.
Das niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg hatte über mehrere Normenkontrollanträge betroffener Landwirte zu entscheiden und hält die in dem Bundesland geltende Landesdüngeverordnung teilweise für nicht rechtens. In einem Musterverfahren (AZ 10 KN 66/22) stellte das Gericht fest, dass die „roten Gebiete“ fehlerhaft ermittelt worden seien. Dafür sind zum einen formale Aspekte und der Verstoß gegen zwingende höherrangige Regelungen des Bundes maßgeblich. Insbesondere weise die maßgebliche Verwaltungsvorschrift nicht die notwendige Verbindlichkeit auf, damit ein bundeseinheitliches Vorgehen sichergestellt werden könne. Zum anderen sei es nicht sachgerecht, bei der Ermittlung der belasteten Gebiete auch Messwerte anderer Grundwasserkörper zu berücksichtigen und auch im Umfeld unbelasteter Messstellen „rote Gebiete“ auszuweisen.
Das Landvolk Niedersachsen, das die Landwirte bei den Normenkontrollanträgen mit großem Aufwand unterstützt hat, zeigte sich in einer ersten Stellungnahme zufrieden. Man setze nun verstärkt darauf, dass die künftige Bundesregierung „Verbesserungen für die in den angeblich nitratbelasteten Gebieten wirtschaftenden Landwirte“ auf den Weg bringt. Ein abschließendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig würde wohl noch Jahre dauern, ohne dass sich für die Landwirte substanziell etwas verändern würde. Man werde nun die Urteilsbegründung abwarten, um daraus Schlüsse für das weitere Vorgehen zu ziehen, so der Verband.
Ungeachtet des Urteils des OVG in Lüneburg bleibt die niedersächsische Landesdüngeverordnung insgesamt jedoch in Kraft. Sie gilt künftig auch dann weiter, wenn das Land ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegt. Dies ist sehr wahrscheinlich, denn laut einer Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums bestehen Zweifel an der Rechtsauffassung des OVG. Der landwirtschaftspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Marco Mohrmann, stellte sich hinter die klagenden Bauern. Dass die Landwirtschaft auch mit juristischen Mitteln gegen die Ausgestaltung der roten Gebiete vorgehe, sei „völlig verständlich“. Gebraucht werde endlich das Verursacherprinzip, damit die vielen Betriebe, die vollständig ordnungsgemäß düngten, aus den entsprechenden Auflagen entlassen würden. Ein pauschales Bestrafen der Landwirte über die Auflagen in den roten Gebiete sei nicht nur fachlich falsch, sondern reduziere auch die Erntemengen und die Qualität der Produkte, was die gesamte Wertschöpfung im ländlichen Raum treffe, kritisierte Mohrmann.
Ob das Urteil direkte Auswirkungen auf Rheinland-Pfalz hat, ist derzeit nicht eindeutig einzuschätzen. Zunächst muss der Wortlaut der Entscheidung abgewartet werden. Interessant sein dürfte aber die Meinung des Senats, dass sich eine Landesdüngeverordnung an höherrangigem Recht orientieren und dies bei der Ausweisung der Gebiete berücksichtigen müsse. Ein zu Niedersachsen vergleichbares Verfahren der Normenkontrolle wird es allerdings in Rheinland-Pfalz nicht geben, denn eine solche ist nach landesgesetzlichen Vorgaben in unserem Bundesland nicht möglich, was sich letztlich auch in einem vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau unterstützen Verfahren im Jahre 2020 gezeigt hat.
BWV, AgE