Berlin/Koblenz. Der Deutsche Bauernverband (DBV) und der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau (BWV) kritisieren das Vorgehen der Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV), die unverändert den Agrarhandel und damit auch Landwirte mit überzogenen und übergriffigen Abmahnungen unter Druck zu setzen versucht und in das so genannte Erntegut-System der STV zwingen will. „Dieses Geschäftsgebaren der STV diskreditiert die Erzählung von der mittelständischen Pflanzenzüchtung, die für sich eine besondere Schutzbedürftigkeit beansprucht“, so DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken. „Inakzeptabel ist vor allem, dass denjenigen Landwirten, die ordnungsgemäßen Nachbau betreiben oder Z-Saatgut einsetzen, bürokratische und datenschutzrechtlich fragwürdige Prozeduren aufgezwungen werden sollen.“ Dies führe dazu, dass mehrere Agrarhändler offenbar unter Druck der STV unverhältnismäßige Forderungen an die Landwirtschaft stellen und den Eindruck erwecken, dass zur Erfüllung des BGH-Urteils zum Erntegut nur noch die Erntegutbescheinigungen der STV zulässig seien. BWV-Präsident Marco Weber kritisiert den Vorstoß der STV ebenfalls scharf: „Datenschutz ist in Deutschland ein hohes Gut und der Bürokratieabbau sowohl ein staatliches als auch ein landwirtschaftliches Ziel. Beides tritt die Saatgut-Treuhandverwaltung mit Füßen. Es kann nicht sein, dass die STV auf den Handel und somit auf die Landwirtschaft Druck ausübt, obwohl eine einfache Erklärung der landwirtschaftlichen Betriebe zum Erntegut genügt.“
Aus Sicht des DBV habe der Bundesgerichtshof im so genannten Erntegut-Urteil lediglich eine allgemeine Erkundigungspflicht des Handels festgestellt, jedoch keinerlei Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung gemacht. Eine rechtliche Verpflichtung zur Nutzung der STV-Erntegutbescheinigung sei daraus nicht abzuleiten. Das BGH-Urteil werde hier bewusst falsch interpretiert und als Druckmittel gegen die Landwirte missbraucht. Zur Erfüllung der Erkundigungspflicht reiche eine einfache Selbsterklärung des Landwirtes aus. Geschäfts- und Lieferbedingungen des Agrarhandels, bei denen Abrechnung und Zahlung gelieferter Waren an die Vorlage einer STV-Bescheinigung gebunden würden, seien nicht durch das Erntegut-Urteil gedeckt und als problematisch zu bewerten. Landwirte sollten kritisch überprüfen, ob sie eine solche einseitige Benachteiligung in der Lieferbeziehung akzeptieren können.
Der DBV zeigt grundsätzliches Verständnis für die schwierige Lage, in der sich Agrarhändler durch das Vorgehen der Saatgut-Treuhandverwaltungsgesellschaft STV befinden. „Wir verstehen, dass auch die Händler Rechtssicherheit benötigen“, so Krüsken. „Dennoch können wir nicht akzeptieren, dass überzogene Rechtsauslegungen durch die Kette weitergegeben und einseitig zu Lasten unserer Landwirte ausgetragen werden.“ Nach ersten Einschätzungen des DBV sind diese Methoden außerdem kartell- und wettbewerbsrechtlich fragwürdig. Allgemeine Geschäftsbedingungen dürfen den Vertragspartner nicht unangemessen benachteiligen – auch nicht zwischen Unternehmern. Der Deutsche Bauernverband und der Bauern- und Winzerverband Rheinland-Nassau fordern daher die sofortige Einstellung der irreführenden Kommunikation zu angeblich rechtlichen Verpflichtungen und appellieren an die Agrarhändler, zu einem fairen und transparenten Umgang mit ihren landwirtschaftlichen Partnern zurückzukehren. Hier kann die Formulierungshilfe des BWV zur Erntegut-Erklärung heruntergeladen werden.