Durchschnittliche Getreideernte – örtlich katastrophal
Mörschbach. Im Rahmen der jährlichen Erntepressekonferenz erläuterte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, ÖR Michael Horper, bei der Raiffeisen-Hunsrück-Handelsgesellschaft (RHH) in Mörschbach die Erntesituation im nördlichen Rheinland-Pfalz. Bis Mitte Mai gab es reichlich Regen und das Getreide stand im Frühjahr weitgehend dicht und mastig auf den Feldern. Danach begann eine längere heiße Trockenphase, die die Hoffnung auf eine insgesamt gute Getreideernte dann zunichte machte.
Zu Beginn der Erntepressekonferenz stellte Peter Assmann, Geschäftsführer der RHH sein Unternehmen vor, das neben Mörschbach auch über Standorte in Kastellaun, Lingerhahn und Weinsheim bei Rüdesheim verfüge. Darüber hinaus helfe die neue Raiffeisen Forst GmbH den Bauern und Kommunen, ihre Forstflächen zu bewirtschaften. Aktuell stünden 5.000 Hektar Wald unter Vertrag. Der Agrarhandel sei dennoch der Schwerpunkt der RHH und 140 Mitarbeiter stünden den Landwirten für die Vermarktung ihrer Erzeugnisse zur Seite. Er stellte fest, dass in diesem dieses Jahr die Produktionskosten der Betriebe hoch seien, während die Erträge zu wünschen übrig ließen. Das sei eine schwierige Situation für viele Familienbetriebe.
40 Gäste, darunter acht Bundes- und Landtagsabgeordnete informierten sich über die aktuelle Erntesituation und über die Anliegen des bäuerlichen Berufsstandes.
Präsident Horper: „Die Landwirtschaft kommt mit den Widrigkeiten des Wetters klar, nicht aber mit unverständlichen politischen Entscheidungen. Ich werde weiter darum kämpfen, dass alle Bäuerinnen und Bauern ihre Kulturen vor Krankheiten schützen dürfen. Ein Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Schutzgebieten jeglicher Art ist mit mir nicht zu machen.“ Weiter stellte er klar, dass auch die Naturwiederherstellungsrichtlinie der EU nicht zur Enteignung der Landwirte führen dürfe. Vielmehr sei die Landwirtschaft bereit, intensiv für den Naturschutz zu arbeiten. Es sei endlich an der Zeit, dass die Flächenversiegelung, die Zerschneidung der Landschaften mit Verkehrsprojekten und das Ausbreiten von Steingärten und Rasenwüsten in den Hausgärten gestoppt würden.
Zur Ernte 2023 erklärte Horper: „Die Pflanzenbestände waren in den Trockenphasen ab Ende Mai aufgrund lokal sehr unterschiedlicher Niederschlagsereignisse nicht einheitlich gewesen. Also gibt es Regionen, die deutlich stärker unter Wassermangel gelitten haben als andere. Dies trifft vor allem für die Westeifel, den Hunsrück und das Nahegebiet zu.“ Auch die Wasserhaltefähigkeit der Böden sei ausschlaggebend für die Ertrags- und Qualitätsentwicklung. Regionen mit leichteren, d. h. sandigeren Böden, hätten deutlich unterdurchschnittliche Erntemengen eingefahren.
Die Wintergerste, die überwiegend als Futtergetreide und zum Teil als Braugerste genutzt werde, habe gute Erträge erzielt. Auch die Qualitäten seien insgesamt zufriedenstellend. Die Erzeugerpreise für Wintergerste lägen zur Zeit um 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau, das allerdings noch stärker von der Ukrainekrise geprägt gewesen sei als heute. Die Sommerbraugerste sei ein Sorgenkind der diesjährigen Ernte, betonte der Präsident, da gerade die spät ausgesäten Kulturen vom Frühjahrsregen nicht mehr profitiert hätten. Die Folge seien weniger ährentragende Halme und eine schlechte Kornausbildung. Das Ergebnis seien vereinzelte Totalausfälle und Erträge von höchstens bis zu fünf mageren Tonnen pro Hektar.
Der Winterweizen sei weitgehend noch nicht geerntet, so Horper, es werde aber mit leicht unterdurchschnittlichen Erträgen gerechnet. Der Weizen profitiere noch von der Winterfeuchte. Die Sommertrockenheit führe aber auch bei sandigerem Untergrund zu einer schlechteren Kornausbildung. Erträge über sieben Tonnen pro Hektar seien daher voraussichtlich eher selten anzutreffen. Die Eiweißgehalte entsprächen offensichtlich den Qualitätsnormen für Brotweizen. Spitzenqualitäten seien in der Regel aber nicht zu erwarten. Die aktuellen Erzeugerpreise seien allenfalls zufriedenstellend, erklärte der Präsident.
„Auch die Rapsernte gibt keinen Anlass zur Freude. Die Erträge werden 2023 sehr unterschiedlich sein und sich zwischen 2 und 4 Tonnen pro Hektar bewegen.“ Hier gebe es einen merklichen Ertragsrückgang, der einerseits auf die Witterungsschwankungen und andererseits auf fehlende Pflanzenschutzmittel zurückzuführen sei. Rapserdfloh und Rapsglanzkäfer könnten nicht optimal bekämpft werden, so dass auch wirtschaftliche Schäden durch Schädlinge eingetreten seien. Die Erzeugerpreise lägen über 400 Euro pro Tonne, was die geringeren Erträge wirtschaftlich teilweise kompensieren könne.
Problematisch entwickle sich aktuell die Situation in der Viehhaltung. Nach einem ersten akzeptablen guten Grünschnitt, seien danach keine weiteren ertragreichen Ernten mehr eingefahren worden. Den Betrieben fehlten häufig der zweite und dritte Schnitt und somit über 40 Prozent des Gesamtjahresertrages des Grünlands. Auch der Mais leide unter der bisherigen Trockenheit. Hoffnung mache allerdings aktuell der Regen. Der Mais könne noch Vegetationsrückstände kompensieren. Eine weitere längere Trockenheitsphase wäre allerdings fatal, machte Horper deutlich.
Der Obstbau profitiere davon, dass die Wurzeln der Obstbäume in tiefere Bodenschichten vordringen und somit Trockenphasen überstehen könnten. Ernteeinbußen seien daher bei Baumobst nicht zu verzeichnen. Zwar seien bei Äpfeln die Fruchtgrößen derzeit noch geringer, doch könne sich dies bis zur Ernte im Herbst noch durch Regen oder – wo möglich – durch Bewässerung ändern. Auch die Erdbeerbetriebe blickten auf eine zufriedenstellende Saison zurück, die durch einen späten Saisonstart, daraus resultierende geringere Konkurrenz durch Importware und gute Erzeugerpreise gekennzeichnet gewesen sei, erklärte BWV-Präsident Horper. Ohnehin habe die Hitze in Südeuropa den Obstimport nach Deutschland deutlich verringert, was zu einer Entspannung auf dem deutschen Obstmarkt geführt habe.
Der Vorsitzende des BWV-Fachausschusses für Pflanzliche Erzeugung, Erneuerbare Energien und Nachwachsende Rohstoffe, Harald Schneider, kritisierte die politischen Entscheidungen der EU bezüglich der vierprozentigen Flächenstilllegung und der Ausweisung der Roten Gebiete auf das Schärfste: „Ackerflächen werden stillgelegt, Brotgetreide zu produzieren wird immer schwieriger und in der Welt wird gehungert. Die 30 Millionen Tonnen – nunmehr erschwerter – Getreideexport aus der Ukraine entsprechen etwa den Mengen, die EU-weit auf den künftig stillgelegten Ackerflächen nicht mehr produziert werden können. Bei dieser Politik werden Menschen verhungern.“ Vehement kritisierte Schneider, dass die landwirtschaftlichen Produktionskosten nicht entsprechend den Energiepreisen sinken würden. Diese enormen Kosten würden unsere Betriebe erdrücken. Die Schweine haltenden Betriebe seien das beste Beispiel dafür, was solch eine Preis-Kosten-Schere, gepaart mit bürokratischen Auflagen, anrichten könne.
Vizepräsident Manfred Zelder bestätigte die unterdurchschnittliche Ernte, die enormen Kosten und die aktuellen und geplanten Auflagen, die Landwirte kaum mehr bewältigen könnten. Dabei werde das Getreide dringend benötigt. Der Mindestlohn mache vor allem den Sonderkulturbetrieben sehr zu schaffen, ergänzte Vizepräsident Walter Clüsserath. Der Lebensmittelhandel sei nicht bereit, die Zusatzkosten an den Verbraucher weiterzugeben. Letztendlich würden viele Winzer mit diesen steigenden Kosten nicht zurechtkommen.
Das Erntegespräch fand wieder große mediale Resonanz. Über die Inhalte wurde in allen wichtigen Medien in Rheinland-Pfalz berichtet.