Ahrweiler. Während der Bundesumweltministerkonferenz in Ahrweiler demonstrierten Landwirte und Winzer gemeinsam für mehr Planungssicherheit in ihren Berufen. Gefahren durch Wolfsrudel, immer weitere Einschränkungen bei der Nutzung von Pflanzenschutzmitteln und die Vernachlässigung der Winzer beim Hochwasserschutz im Ahrtal ärgern die bäuerlichen Familienbetriebe. So übergaben bereits vor der Kundgebung bei Dernau der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau (BWV), Marco Weber, der Präsident des Rheinischen Landwirtschaftsverbandes (RLV) Bernhard Conzen und BWV-Kreisvorsitzender Franz-Josef Schäfer Bundeslandwirtschaftsministerin Steffi Lemke und der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Katrin Eder ein Positionspapier des BWV und eine Erklärung des Deutschen Bauernverbandes.
Marco Weber machte gegenüber den Ministerinnen deutlich, dass es gesellschaftlich gewünscht sei, die Nutztiere verstärkt weiden zu lassen. In Anbetracht steigender Wolfpopulationen sei dies allerdings eine kaum lösbare Herausforderung. Es sei notwendig, dass Landwirtschaft und Wolfmanagement aufeinander abgestimmt würden: „Die Bewirtschaftung der Grünlandflächen und der Erhalt der Biodiversität ist nur durch die Nutztierhaltung möglich. Dieses Ziel darf die Politik nicht aus den Augen verlieren.“ Bundesministerin Lemke wies daraufhin, dass sie bereits viel für die Weidehaltung getan habe. Ihr seien die Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft und Biodiversität durchaus bewusst. So habe sie erreicht, dass die EU-Kommission Weidetierhalter künftig stärker finanziell unterstützen werde. Die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfes in der Berner Konvention sei allerdings ein langer Weg, so Lemke. Darüber hinaus sei für diesen Schritt die gesellschaftliche Akzeptanz zu gering. Der politische Schwerpunkt müsse vielmehr auf der Umsetzung einer Schnellabschussregelung liegen. Hierfür werde sie sich stark machen. Ministerin Eder führte aus, dass mit drei Rudeln in Rheinland-Pfalz noch kein guter Erhaltungszustand des Wolfes erreicht sei. Außerdem gewähre das Land eine Weidetierprämie. Der aggressive Wolf GW1896m werde zum Abschuss freigegeben. Das Land habe durchaus Verständnis für die Weidetierhalter.
Kreisvorsitzender Franz-Josef Schäfer forderte die Ministerinnen auf, sich verstärkt um einen Hochwasserschutz gemeinsam mit den Winzern zu bemühen. Die Winzer hätten unter der Flut bereits sehr gelitten. Die Wiederanpflanzung der Rebflächen müsse nun schnell umgesetzt werden. Außerdem müsse der weinbauliche Sachverstand verstärkt in die Umsetzung des Hochwasserschutzes eingebracht werden. Daher könne er nicht verstehen, dass der Weinbaupräsident der Ahr zum Gespräch mit den Umweltministern ausgeladen worden sei. Dies sei ein unerhörter Vorgang. Lemke erklärte, dass Finanzhilfen uneingeschränkt zur Verfügung stünden. Jetzt gehe es darum, die Gelder korrekt zu verteilen. Ministerin Eder fügte hinzu, dass sie bereit sei, über weinbauliche Themen zu sprechen und auf die Winzer zuzugehen.
RLV-Präsident Bernhard Conzen sieht große Probleme bezügliches des Pflanzenschutzeinsatzes auf landwirtschaftliche und weinbauliche Betriebe zukommen. Als Beispiel nannte er die Krankheit Stolbur, die bereits heute umfänglich bekämpft werden könne. Wo diese Krankheit auftrete sei der Anbau von Zuckerrüben, Kohl und Gemüse akut bedroht. Erhebliche Flächen in Süddeutschland, die bereits befallen seien, hätten nicht abgeerntet werden können. Schon aus Wettbewerbsgründen müsse die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln den Regelungen anderer EU-Staaten entsprechen. Darüber hinaus werde mit restriktiver Pflanzengesundheitspolitik auf lange Sicht die Versorgung der Bevölkerung gefährdet. Es müssten dringend Notfallzulassungen ermöglicht werden, damit alle wichtigen Krankheiten der Kulturpflanzen bekämpft werden könnten. Darüber hinaus müsse endlich das Zukunftsprogramm Pflanzenschutz umgesetzt werden. Gentechnische Möglichkeiten, wie zum Beispiel CRISPR/Cas, müssten endlich angewandt werden. Schließlich würden sie nur die Züchtung beschleunigen und somit die Zurverfügungstellung krankheitsresistenterer Kultursorten schneller und zielgenauer ermöglichen. Dies würde auch dem Ziel, die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, entgegenkommen. Lemke zeigte Verständnis für die Ausführungen des Präsidenten und erklärte, dass der Naturschutz und die Landwirtschaft kooperativ zusammenarbeiten müssten. Schließlich sei einerseits das Vogelsterben zu stoppen und andererseits die Landwirtschaft zu erhalten. Es habe bereits Gespräche mit dem DBV-Präsidenten Joachim Rukwied über diese Themen gegeben. Die Notfallzulassung von Pflanzenschutzmitteln müsse allerdings das Bundeslandwirtschaftsministerium regeln. Sie setze sich dafür ein, gefährliche Pflanzenschutzmittel zurückzudrängen und ungefährlichere verstärkt zuzulassen. Sie denke dabei auch an das Bodenleben. Schließlich sei es im Interesse der Landwirtschaft, die Bodenflora und -fauna zu stärken.
Kundgebung ohne Ministerinnen
Bei der anschließenden Kundgebung in Dernau mit 150 Teilnehmern zeigten sich alle drei Verbandsvertreter darüber enttäuscht, dass sich keine Umweltministerin bereit erklärt habe, vor den demonstrierenden Bauern und Winzern zu sprechen. Kreisvorsitzender Franz-Josef Schäfer dankte der Politik für die Hilfe während der Flutkatastrophe, er ärgere sich aber über die völlig überzogene Bürokratie, die den Betroffenen das Leben schwer mache. Dabei seien gerade die Bäuerinnen und Bauern die schnellsten und effektivsten Helfer vor Ort gewesen. Nach der ersten Hilfe seien schnell Regelungen getroffen worden, was wer zu tun habe und damit sei „Sand ins Getriebe“ gekommen. Etwa zehn Hektar an Rebflächen an der Ahr würden den Weinbaubetrieben für den Hochwasserschutz entzogen. Das mag wenig erscheinen, treffe aber die betroffenen Betriebe sehr hart. Daher müsse die Bodenordnung viel schneller umgesetzt werden. Schäfer erinnerte daran, dass die Rebflächen mit nur 2,5 Zentimeter Wasserhöhe nur marginal zum Hochwasser beigetragen hätten, während die Fluthöhe insgesamt mehrere Meter betragen habe. Auch kritisierte Schäfer, dass Weinbaupräsident Hubert Pauly von der Umweltministerkonferenz ausgeladen worden sei. Dabei sei fachlicher Sachverstand gerade nach einer solchen Katastrophe von unschätzbarem Wert.
Regen, Nässe, Hagel und Frost hätten 2024 einen hohen Pflanzenschutzmittelaufwand bei niedrigsten Erträgen zur Folge gehabt. Die Mittelgebirgsregionen müssten auch weiterhin bewirtschaftet werden können. Welcher Tourist habe Interesse an der Ahr, wenn es keine Weinberge und keinen Ahrwein mehr gäbe. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sei existenziell notwendig. Was in unserer Region nicht produziert werden könne, müsse mit deutlich geringeren Standards aus anderen Regionen der Welt importiert werden.
Die Weidesaison sei beendet. Die allseits erwünschten Offenställe seien nun Anlaufstellen für den Wolf. Vergangene Woche sei wieder ein Wolf im Raum Remagen gesichtet worden und zwar am helllichten Tag. Bei einer Vermehrungsrate von jährlich 20 Prozent würden die Wolfpopulationen geradezu explodieren und somit werde auch der Druck auf die Siedlungsflächen deutlich zunehmen. Das riesige Land Schweden toleriere nur 250 Wölfe, dann müsse es auch in Deutschland möglich sein, die Wolfspopulationen entsprechend zu regulieren. Schäfer rief die Bäuerinnen und Bauern auf, im Wahlkampf die Ziele der Parteien bezüglich Wolfspolitik genau zu beobachten.
Die Politik müssten den Bauern eigentlich helfen, sie tut es aber nicht
BWV-Präsident Marco Weber zeigte sich entsetzt, dass die Umweltminister in Bussen an der Kundgebung vorbeifahren würden und niemand bereit sei, zu den Bauern und Winzern zu sprechen. Zwar hätten die Präsidenten und der Kreisvorsitzende die Möglichkeit gehabt, in sehr engem Zeitrahmen mit den zuständigen Ministerinnen zu sprechen, es sei aber auch wichtig, die Anliegen der Winzer und Bauern aus erster Hand zu erfahren.
„Es ist völlig inakzeptabel, dass wir unsere Tiere nicht mehr auf die Weiden lassen können. Problemwölfe müssen sehr viel schneller entnommen werden können. Der Wolf GW1896m trat zuerst in München, dann im Schwarzwald und schließlich im Westerwald auf. Er hat zahllose Nutztiere getötet und wird erst jetzt, nach Jahren, zur Entnahme freigegeben. Das ist ein unerhörter Vorgang“, beklagte Weber wütend. Der Wolf habe dutzende Nutztiere gerissen. Eine derart lange Zeit solle man nicht mehr auf eine Entnahme warten müssen. Bei bereits über 240 Nutztierrisse in 2024 sei Rheinland-Pfalz bereits ein Wolfsgebiet! Auffällige Wölfe müssten sofort entnommen werden können. Weber dankte während seiner Rede dem BWV-Wolfsbeauftragten Matthias Müller für seine Arbeit und den Einsatz für die gemeinsamen Ziele. Tierschutz sei mit dem Wolf nun einmal nicht machbar.
Hinsichtlich der Flutkatastrophe im Ahrtal betonte Weber, dass diejenigen, die landwirtschaftliche und weinbauliche Flächen als Teil des Hochwasserschutzkonzeptes einplanen würden, mit den Bauern und Winzer reden müssten: „Wir Bauern sind keine Befehlsempfänger, sondern Dienstleister und Produzenten“, beendete Präsident Weber seine Rede.
RLV-Präsident Bernhard Conzen, stellte fest, dass die Wolfprobleme in Rheinland-Pfalz genauso dramatisch seien wie in Nordrhein-Westfalen. Da Land gebe dort jährlich fünf Millionen Euro für den Herdenschutz aus und es reiche dennoch hinten und vorne nicht. Die elektrischen Zäune würden nicht weiterhelfen, da diese oftmals übersprungen würden. Wütend reagierte Conzen auch über das Verhalten der Bundesregierung: „Vor eineinhalb Jahren erkannte die EU, dass der Green Deal eine Sackgasse sei. Er ist mit uns Bauern nicht zu machen. Nun gibt es aber im Alleingang in Deutschland ein Pflanzenschutzreduktions-Zukunftsprogramm in der die Regierung den Bäuerinnen und Bauern ihre grüne Ideologie aufdrücken möchte. Dabei bewirtschaften wir Bauern in Deutschland nicht ohne Grund die besten und gesündesten Böden auf der Welt“, machte Conzen klar. Auch die Zielsetzung, 30 Prozent der Flächen ökologisch zu bewirtschaften, sei ein „Holzweg“, denn ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln werde es beispielsweise Jahre ohne eine Kartoffelernte geben. Das könne doch nicht das Ziel einer verantwortungsvollen Agrarpolitik sein. Sowohl in den Niederlanden als auch in Frankreich habe man die falsch eingeschlagenen Wege bereits erkannt und die Zielrichtungen geändert. Die vielen Auflagen müssten zurückgeschraubt werden. Conzen nannte abermals das Beispiel der Pflanzenkrankheit Stolbur. Hier sei die Produktion an Zuckerrüben, Kohl und Gemüse bereits heute massiv gefährdet. Die Politik müsse den landwirtschaftlichen Betrieben eigentlich helfen, sie tue es aber nicht. Das sei überhaupt nicht nachvollziehbar.
Zum Abschluss der Kundgebung betonte Gastgeber Franz-Josef Schäfer, dass die Landwirte und Winzer Geld benötigen würden. Hierfür seien aber keine wohlmeinenden Worte, sondern Planungssicherheit und Perspektiven notwendig. Die Investitionen seien auf ein historisches Minimum gesunken. Dies liege vor allem daran, dass man nicht mit dem Berufsstand, sondern nur über ihn spreche. Schäfer dankte neben den Teilnehmern, den Organisatoren und den Medienvertretern auch den Landwirten aus anderen berufsständischen Verbänden, die zum Teil weit angereist seien. Der Dank galt auch David Kreuzberg, der Landwirt, der einen überdachten Anhänger als Bühne zur Verfügung gestellt hat.