Liebe Bäuerinnen und Bauern,
Winzerinnen und Winzer,
wir Landwirte und Winzer werden tagtäglich durch eine riesige Zahl und enorme Vielfalt an Anforderungen, Auflagen und Vorschriften belastet. Die in den Betrieben erforderlichen Dokumentationen und Datenerhebungen fordern Zeit und kosten Geld. Zusätzlich ist die mentale Belastung durch die Vielzahl der unterschiedlichen, zum Teil widersprüchlichen und fachlich unsinnigen Vorschriften, aber auch durch die Kontrollen oder Audits durch Dritte, enorm. Die Energie der Bauern und Winzer wird davon aufgezehrt.
Wie wäre es, wenn Landwirte und Winzer wieder mit aller Kraft das tun könnten, was sie am besten können? Nahrungsmittel vom Acker, im Stall und in Obstbaumkulturen erzeugen, besondere Weine kreieren und vermarkten, Tiere großziehen und ihre Leistungsfähigkeit bei Milch und Fleisch durch gute Futterqualität und gute Haltungsbedingungen fördern und ganz nebenbei die Kulturlandschaft pflegen? Es wäre fast wie im Bilderbuch. Einfach, beschaulich und zufriedenstellend. Doch aus der Traum! Der Berufsstand wird gegängelt, kontrolliert, durch globale Handelsabkommen mit geringeren Standards vor den Kopf gestoßen, durch Vorschriften von der Aussaat bis zur Vermarktung beengt und von der Geburt eines Nutztiers bis über dessen Tod hinaus überwacht. Ein Schwarm von Wegweisern sagt denen, die ihr Fach von der Pike auf gelernt haben, was sie zu tun und zu lassen haben. Das muss aufhören!
Seit 2017 wurden alleine 174 neue bundesrechtliche Vorgaben für unseren Wirtschaftszweig „Land-, Forstwirtschaft und Fischerei“ erlassen, während nur 17 abgeschafft und 25 Vorgaben vereinfacht wurden. Diese Zahlen hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine kleine Anfrage der Linken nach den Bürokratiekosten in der Landwirtschaft im Bundestag im November mitgeteilt. Der berufsständische Kampf gegen die Bürokratie und fachlich unsinnige Vorschriften ist vergleichbar mit dem Kampf gegen die vielköpfige Hydra, bei der zwei Köpfe nachwachsen, wenn ein Kopf abgetrennt wird. Trotzdem wird der Verband nicht aufhören, gegen neue, unsinnige Vorschriften zu kämpfen. Niemand sonst macht das tagtäglich für Sie – nur der Bauern- und Winzerverband.
Neben der Bürokratie erleben wir auch die Reduzierung und Streichung von finanziellen Unterstützungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirte und Winzer gegenüber ihren Kollegen in angrenzenden EU-Staaten nachhaltig verschlechtern. Die Reduzierung der Agrardieselsteuerrückvergütung ist nur ein Beispiel von vielen und der Plan der Ampel, sie komplett zu streichen, hat das Fass im Winter 2023/24 zum Überlaufen gebracht.
Es war nicht diese eine Entscheidung, die die Landwirte auf die Straße getrieben hat. Es waren das ständige Misstrauen einem gut ausgebildeten Berufstand gegenüber, das ständige Besserwissen, die Benachteiligung durch schärfere Auflagen und die ständige Bevormundung. Seither verging kein politisches Gespräch, in dem der Verband nicht eingefordert hat, die Benachteiligungen der deutschen Landwirtschaft rückgängig zu machen und das Gespräch mit der Landwirtschaft zu suchen. Wir haben Respekt verdient und ihn tatsächlich auch von der Bevölkerung und auch anderen Wirtschaftszweigen bekommen. Aber wir müssen uns weiter mit Argumenten und Penetranz auf demokratischer Grundlage wehren! Eine neue Bundesregierung muss uns in unserer Wettbewerbsfähigkeit stärken und nicht schwächen. Das gilt auch beim Pflanzenschutz und bei der bedarfsgerechten Düngung, bei den Tierschutzvorgaben, bei der Nutzung von Biomasse zur Stromproduktion und der Sicherung der Grünlandbewirtschaftung durch Weidetiere. Unsere qualitativ hochwertigen, unter Beachtung von Standards beim Tier-, Arten-, Boden-, Arbeits- und Klimaschutz etc., erzeugten Produkte, müssen auch auf dem globalen Markt bestehen können. Das gilt ebenfalls beim Abschluss von Handelsabkommen.
Die Landwirtschaft produziert nämlich viel mehr als Nahrungsmittel. Sie produziert auch Kulturlandschaft und ist damit Grundlage für den Tourismus in der Region. Sie produziert außerdem das Gemeinschaftsgefühl im ländlichen Raum. Sind es doch oft Landwirte und Winzer, die den Maibaum oder den Weihnachtsbaum aufstellen, in den örtlichen Vereinen und der Feuerwehr aktiv sind und bei Dorffesten für die kulinarischen Genüsse sorgen. Dieses Engagement ist auch ein Garant für ein demokratisches Miteinander in den Dörfern und im ländlichen Raum. Daran werden wir alle Politiker erinnern, egal ob sie in der neuen Regierung Verantwortung tragen oder nicht.
Wir sind in Brüssel, Berlin und in Mainz für Sie! Wir werden weiter für Sie und Ihre Familien eintreten, gegen unsinnige, kräftezehrende Auflagen aufstehen und für faire Rahmenbedingungen kämpfen, damit Sie und Ihre Familie auch in Zukunft den schönsten Beruf, den es gibt, ausüben können – Landwirt oder Winzer zu sein.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest, ein gutes und gesundes neues Jahr und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit im Betrieb. Seien Sie stolz auf das, was Sie täglich schaffen und erschaffen – Nahrungsmittel, Kulturlandschaft und Demokratie im ländlichen Raum.
Marco Weber
Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau