Berlin. Mit einer starken Delegation des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau wurden während der 93. Mitgliederversammlung des Deutschen Bauerntages in Berlin die politischen Forderungen des bäuerlichen Berufsstandes im nördlichen Rheinland-Pfalz vertreten. In seiner Grundsatzrede stellte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes Joachim Rukwied fest, dass seit dem letzten Bauerntag in Cottbus die Ampelkoalition zerbrochen, eine neue Regierung gebildet worden sei und es in mehreren Bundesländern schwierige Regierungsbildungen gegeben habe. „Auch international sehen wir große Umbrüche – besonders in den USA, die über Jahrzehnte der wichtigste Partner Deutschlands und Europas waren. Es gibt wachsende Sorgen hinsichtlich Handel und Zölle – also gerade bei den internationalen Grundlagen für Zusammenarbeit und Frieden. Besonders besorgniserregend ist aber die sicherheitspolitische Entwicklung: Die NATO wurde über Jahrzehnte maßgeblich von den USA getragen und war Garant unserer Sicherheit. Heute steht dahinter ein großes Fragezeichen“, stellte Rukwied klar.
Die vielen und teilweise globalen Konflikte würden Anlass zur Sorge geben. Die Folge seien zunehmende Unsicherheiten und wachsende Zukunftsängste. Ein Nährboden für radikale Kräfte von rechts und links. Es sei jetzt Aufgabe von Bund und Ländern, positive Signale des Aufbruchs zu setzen. Worte allein reichten nicht, es brauche ein sichtbares Handeln. Es gehe um die Stabilität unserer Demokratie. Die Verantwortung liege daher bei allen Demokratinnen und Demokraten, in der Gesellschaft mit ihren Vereinen und Institutionen, also auch bei den Bauernverbänden. Die Regierung müsse alle gesellschaftlichen Gruppen einbinden. Nur gemeinsam werde eine Kehrtwende gelingen, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa.
Die wirtschaftliche Abwärtsspirale müsse gestoppt werden. Bis 2030 wolle die Automobilindustrie 45.000 Arbeitsplätze abbauen: „Das betrifft Familien, das betrifft die Kaufkraft. Deutschland muss wirtschaftlich stark bleiben und in seine Zukunft investieren. Nur so können Deutschland und Europa ihre Vorreiterrolle behaupten. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen!“, forderte Rukwied nicht nur die Mitgliederversammlung auf.
Verantwortung ernst nehmen
Nach Jahren der Stagnation im Agrarbudget sei es an der Zeit umzudenken, forderte der DBV-Präsident. Die Ernährungssicherheit sei genauso wichtig wie die Verteidigungspolitik. Das Präsidium des DBV habe deshalb die Bedeutung eines höheren Agrarbudgets klar betont. Die Gestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik bleibe eine zentrale und wichtige europäische Aufgabe, schließlich sei Europa zu 70 Prozent ländlich geprägt. Diese Strukturen dürften nicht gefährdet werden. Europa sei fragil, die Regierungschefs wären gut beraten, die ländlichen Räume zu stabilisieren. Es dürfe kein Nebeneinander und keine einzelnen nationalen Programme geben, sondern einheitliche Regeln und Fairplay in allen EU-Mitgliedsstaaten.
Markteingriffe und Bürokratieabbau
Bei der Gemeinsamen Marktordnung versuche die Verwaltung zunehmend einzugreifen. So plane EU-Agrarkommissar Christophe Hansen die Einführung verpflichtender Vorverträge für Milcherzeuger. Dies lehne der Deutsche Bauernverband grundweg ab. Rukwied: „Unsere Landwirte nutzen ihre unternehmerische Freiheit, etwa in der Milchvermarktung – mit Erfolg: Produzenten erzielen so bis zu 3 Cent mehr pro Liter Milch. Das sind in Summe zwischen 750 und 900 Millionen Euro für unsere Milchviehhalter. Diese unternehmerische Freiheit gilt es weiterhin zu schützen. Wir wollen keine Bürokratie und keine Administration, die versucht Preise mitzubilden und sich einzumischen.“
Rukwied fordert die Beendigung des „Green Deal“ und der „Farm to Fork-Strategie“ und stattdessen wieder mehr Wettbewerbsfähigkeit in der Landwirtschaft. Rückschritt sei mit der Landwirtschaft nicht zu machen. Der Berufsstand biete Lösungen für viele aktuelle gesellschaftliche Fragestellungen an. Als Beispiel nannte Rukwied die Bereiche Biodiversität und Wasserschutz: „Wir wollen kooperativ nach vorne gehen – das gelingt unternehmerisch besser als durch Verwaltungsauflagen.“ Eine klare Absage erteilte Rukwied dem „Soil Monitoring Law“ (EU-Bodenüberwachungsgesetz). Es werde den Betrieben in einigen Jahren vorschreiben, wie sie ihre Böden zu bewirtschaften hätten und wann geerntet werden dürfe. Das gehe deutlich zu weit. „Wir kennen unsere Flächen und wissen, wie sie zu pflegen sind. Dieses Gesetz muss gestoppt werden. Hier erwarte ich vom Kanzler, vom Landwirtschafts- und vom Umweltminister eine klare Haltung und keine Enthaltungen mehr!“ Gleiches gelte für das Naturwiederherstellungsgesetz: Dieses dürfe nicht ins Eigentum eingreifen. Das Gesetz sei einst von der ehemaligen österreichischen Umweltministerin Leonore Gewessler „durchgewunken“ worden, weil sie sich nicht an die damalige schwarz-grüne Koalitionsvereinbarung gehalten habe. Als „Zünglein an der Waage, sei mit ihrer Zustimmung schließlich das EU-Renaturierungsgesetz verabschiedet worden. Die EU und die Regierungen müssten den Mut haben, den Fehler zu erkennen und das Gesetz zurücknehmen.
Nationale Agrarpolitik – Tierhaltung braucht Perspektive
In den letzten zehn Jahren seien in Deutschland über zwei Millionen Tiere in der Schweine-Haltung abgebaut worden, während Spanien seine Produktion massiv ausgebaut habe. Letztendlich, so Rukwied, bedeute diese Entwicklung eine Standardreduzierung in den Bereichen Umwelt und Tierschutz. Die deutschen Spitzenlandwirte würden zur Zeit hohe Risiken eingehen, wenn sie ihre Betriebe weiter entwickeln wollten. Jetzt seien klare Signale seitens der Bundesregierung für die deutsche Tierhaltung notwendig und sinnvoll. Daher fordere der Berufsstand ein „Investitionsprogramm Tierhaltung“, beginnend mit der Schweinehaltung. Ab 2026 müsse es jährlich 1,5 Milliarden Euro frisches Geld als Investitionszuschuss geben, um die heimische Produktion zu stärken. Der Bund müsse diese Mittel endlich bereitstellen, um den Umbau der Tierhaltung zu ermöglichen. Damit erhielten die landwirtschaftlichen Unternehmer endlich die dringend notwendige Planungssicherheit. Die Investitionssummen für die einzelnen Betriebe seien schließlich enorm. Außerdem müssten diese Investitionen mindestens 20 Jahre Bestandsschutz haben und nicht immer weitere Nachforderungen im laufenden Betrieb – beispielsweise im Bereich des Baurechtes – die Investitionsentscheidung eines Landwirts in Frage stellen.
Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz müsse neu geplant und ab 2027 umgesetzt werden. Wenn Deutschland seine Tierhaltung in Deutschland erhalten wolle, seien zukunftsfähige Schlachtunternehmen notwendig. Investoren müsse man unterstützen und sie sollten dabei nicht durch das Bundeskartellamt ausgebremst werden. Schließlich sei für eine zukunftsfähige Landwirtschaft auch eine schlagkräftige Infrastruktur notwendig. Das sei auch Bestandteil einer nachhaltigen Tierhaltungsstrategie.
Bilder, v.l.n.r.:
Das Präsidium des Deutschen Bauernverbandes stellte sich nach der Grundsatzrede von DBV-Präsident Joachim Rukwied der Diskussion mit den Delegierten der 18 Landesbauernverbände und der assoziierten Verbände.
Johanna Schott (3.v.l.) und Lea Sensen (4.v.l.) nahmen für ihre Siege beim Bundesentscheid im Berufswettbewerb der Sparten Weinbau und Landwirtschaft die Gratulation der BWV-Vizepräsidenten Stefan Fiedler und Harald Schneider, des Landjugendvorsitzenden Fabian Schüller und der LandFrauenpräsidentin Gudrun Breuer entgegen (v.l.).
Die Delegierten des BWV informierten sich in der Mitgliederversammlung über aktuelle Themen und brachten in Gesprächen die Ziele des hiesigen bäuerlichen Berufsstandes ein.
Sonderkulturen, Pflanzenschutz, Mindestlohn
Der DBV-Präsident wurde wütend, als er das Thema Pflanzenschutz ansprach. Immer mehr Kulturen seien kaum noch anbaubar, weil wichtige Wirkstoffe zum Schutz der Kulturen und zur Erzeugung gesunder Lebensmittel und Rohstoffe fehlten. Notfallzulassungen böten den Betrieben keine ausreichende Sicherheit. „Unsere Landwirte erleben aktuell unter anderem mit der Glasflügelzikade massive Ertragseinbußen – etwa bei Zuckerrüben, Sellerie, Zwiebeln, Rote Beete oder Rotkohl. 23 Prozent der Kartoffelflächen sind in Deutschland derzeit betroffen. Wir brauchen pragmatische Zulassungsverfahren – wie in der Pharmazie. Hier gibt es eine europäische Zulassungsbehörde, die die Zulassungen europaweit vornimmt. Das brauchen wir für den Pflanzenbau auch. Die Einvernehmensregelung des Umweltbundesamts muss weg. Unsere Pflanzen müssen vor Schadinfektionen geschützt werden – nur dann sichern wir unsere Versorgung.“
Auch bei der Düngung machte Rukwied deutlich, dass die Landwirtschaft ein Anrecht darauf habe, die Kulturen bedarfsgerecht zu ernähren. Ohne diese praxisgerechte Düngung könnten keine gesunden Lebensmittel erzeugt werden.
Der gesetzliche Mindestlohn bereitet Rukwied große Sorgen. In seinem Betrieb entstünden durch 300 Stunden pro Hektar bei zusätzlich zwei Euro höheren Stundenlohn zusätzliche jährliche Mehrkosten in Höhe von 20.000 Euro und das bei Märkten, wie dem Weinbau, die ohnehin unter Druck stünden. Die europäischen Wettbewerber würden deutlich weniger bezahlen. In Polen etwa 7 Euro, in Spanien 8 Euro. Deutschland benötige deshalb eine Sonderregelung für saisonale Arbeitskräfte, sonst werde die deutsche Obst-, Gemüse- und Weinerzeugung gefährdet werden. Eine Abwanderung der Produktion ins Ausland sei nicht tolerabel.
Klimaschutz, Eigentum, Bürokratie
Der landwirtschaftliche Berufsstand stehe zum Klimaschutz. Die Landwirtschaft sei bei dieser gesamtgesellschaftlichen Herausforderung erfolgreicher, als es die Vorgaben verlangten, betonte Rukwied. Die Bäuerinnen und Bauern seien bereit weiter voranzugehen, aber dann müssten sie von ideologischen Fesseln verschont bleiben. Nachwachsende Rohstoffe, Bioenergie, Bioethanol, Biodiesel, all diese Produktbereiche gelte es zu unterstützen. Nur so könnten die deutschen Klimaziele – mit der heimischen Landwirtschaft – erreicht werden. Auch die Kaskadennutzung sei ein wichtiger Baustein.
„Eigentum ist Grundlage unserer Demokratie. Doch das Naturflächenbedarfsgesetz gefährdet diese Basis. Bereits heute werden der Landwirtschaft täglich 56 Hektar entzogen, das entspricht in 30 Jahren der Fläche Schleswig-Holsteins. Das geplante Flächenbedarfsgesetz muss gestoppt werden. Hände weg von unserem Eigentum!“, machte DBV-Präsident Rukwied unmissverständlich klar.
Bezüglich der Wolfsproblematik forderte der Präsident praktikable Lösungen. Die Haus- und Nutztiere müssten vor Rissen und qualvollem Tod geschützt werden. Ein guter Erhaltungszustand der Wolfspopulation müsse an Brüssel gemeldet werden, dann könne endlich ein Bestandsmanagement eingeführt werden. Die Bestände müssten reduziert werden. Ähnliches gelte aber auch für Biber, Saatkrähen und andere geschützte Arten. Schließlich seien nicht nur die Tierhaltung, sondern auch die Pflanzenkulturen zu schützen.
Über 190 Vorschläge lägen, so Rukwied, dem Bundeslandwirtschaftsministerium zum Abbau der Bürokratie vor. „Wir fordern die Streichung von Gesetzen, statt immer wieder neue zu erlassen. Natürlich braucht eine Gesellschaft Regeln, aber derzeit nehmen die Ordnungsrahmen der EU und Deutschlands der Landwirtschaft die Luft zum atmen. Wir wollen Ergebnisse sehen. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer muss nun liefern. Handeln ist wichtig! Wir brauchen einen echten Bürokratieabbau.“
Unser Angebot an die Politik
Rukwied gab zu verstehen, dass die Bauernfamilien ihren Teil zum notwendigen Politikwechsel beitragen wollen. Der Berufsstand wolle Deutschland und die Landwirtschaft nach vorne bringen. Der Deutsche Bauernverband mache dabei konkrete Angebote – vom kooperativen Naturschutz, über moderne Tierhaltung, Generierung von Wertschöpfung bis zur Stärkung des ländlichen Raums. Dabei setze sich der Verband für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land ein.
Die Landwirtschaft sei ein starker Berufsstand und biete der Politik eine konstruktive Partnerschaft an. In den letzten eineinhalb Jahren war der Deutsche Bauernverband sehr erfolgreich: Die Agrardieselsteuerrückvergütung werde wieder eingeführt, das grüne Kennzeichen blieb, die einseitige Belastung der Landwirtschaft sei verhindert worden. Genauso wichtig sei es, dass die Bevölkerung weiter hinter ihrer Landwirtschaft stehe. 80 Prozent der Bevölkerung würden sich zu ihr bekennen – auch bezüglich der Förderung im Rahmen der GAP würden über 70 Prozent zustimmen. Darauf könne die Landwirtschaft aufbauen.
Der Verband sei zudem weiblicher geworden. Rukwied freue sich über die starke Präsenz und das Engagement der Unternehmerinnen – sie seien eine Bereicherung für Verband und Berufsstand. Neben dem Einsatz der LandFrauenverbände sei ihr Engagement mittlerweile unverzichtbar für den DBV. Auch jünger wolle der Verband werden. Über „DBV next“ vernetzen sich die Landjugend und junge Landwirte bereits. „DBV next“ sei eine weitere Möglichkeit für den Nachwuchs des Berufsstandes, ein starkes Fundament für die Zukunft zu legen.
Rukwied beendete seine Grundsatzrede mit den Worten: „Die Landwirtschaft ist ein großartiger Beruf und sie hat Zukunft. Dafür braucht es einen starken Bauernverband. Wenn wir unsere Gemeinschaft leben, gestalten wir auch die Zukunft erfolgreich. Unsere Grundlage ist das Grundgesetz, die Verfassung, die Demokratie und ein „Ja“ zu Europa. Familie, Tradition und Kultur sind unsere Fundamente. Darauf bauen wir auf.“