Miehlen. Die Bäuerinnen und Bauern haben eine aufreibende und schwierige Vegetationsperiode hinter sich. Der immer wieder einsetzende langanhaltende Regen hat sowohl die Pflanzengesundheit bedroht als auch die Pflege und Ernte verschiedener Kulturen deutlich erschwert.
Im Rahmen der jährlichen Erntepressekonferenz erläuterte der Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau, Marco Weber, bei der Raiffeisenwarenzentrale (RWZ) in Miehlen vor Vertretern aus Politik, Handel und Landwirtschaft die Erntesituation im nördlichen Rheinland-Pfalz. Schon der Beginn der Getreideernte habe sich je nach Region um ein bis zwei Wochen verschoben, weil bereits der Herbst zu nass gewesen sei, betonte Weber. Dadurch habe sich die Aussaat vielerorts verspätet.
Insgesamt seien, so Weber, schwache Getreideerträge mit überwiegend schlechter Qualität zu erwarten. Am Wetter könne die Politik nichts ändern. Er sei aber enttäuscht, dass die politischen Entscheidungsträger die wesentlichen Forderungen des Berufsstandes nicht aufgreifen würden. Seit den Demonstrationen im letzten Winter seien weder die bürokratischen Auflagen reduziert, noch die Einbußen durch den Wegfall der Agrardieselrückvergütung ausgeglichen worden. Die geplante Gewinnglättung durch die Bundesregierung würde die Betriebe um nur etwa 50 Millionen Euro entlasten, während der Landwirtschaft mit dem Wegfall der Agrardieselrückerstattung 440 Millionen Euro an Belastung zugemutet werde. Das sei kein Deal, sondern eine Zumutung. Der Berufsstand werde weiter die Politik in die Verantwortung nehmen und Druck auf die Faktoren ausüben, die die Politik beeinflussen könne. Der Berufsstand werde weiter um einen effektiven Bürokratieabbau, für den Erhalt der Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung und für Perspektiven für die jungen Hofnachfolger kämpfen. „Mit schlechtem Wetter kommen die Bäuerinnen und Bauern klar, nicht aber mit unwirtschaftlichen und hoch bürokratischen Rahmenbedingungen“, so der BWV-Präsident.
Der Vorsitzende des BWV-Fachausschusses für Pflanzliche Erzeugung, Erneuerbare Energien und Nawaro, Harald Schneider, kritisierte in seiner Ansprache die Getreideimporte aus Osteuropa, die die hiesigen Getreidepreisstrukturen zerstören. Gerade in diesem Jahr, in dem die Witterung keine gute Getreideernte zulasse, benötigten die Betriebe wenigstens gute Preise. Bei dem aktuellen Importdruck sei das aber nicht möglich. Landwirte in sogenannten „roten Gebieten“ seien nicht in der Lage Brotweizen zu produzieren. Unter diese Gebiete fallen Regionen, in denen an Grundwassermessstellen höhere Nitratwerte gemessen werden. In der Folge sind die ansässigen Bauern dann zu einer enormen Reduktion bei der Düngung gezwungen. Es müsse deutlich schneller zu verursachergerechteren Ausweisungen der roten Gebiete und zur Auflagenbefreiung von Betrieben mit exakter bedarfsgerechter Düngung kommen. Weiterhin forderte Schneider die Politik auf, endlich die umweltfreundlichen Biogasbetriebe wieder deutlich besser zu fördern und ihnen eine wirtschaftliche Zukunft zu eröffnen. Auch dürften die landwirtschaftlichen Flächen nicht weiter mit PV-Anlagen überbaut werden. Deutschland mache sich sonst immer mehr von importierten Nahrungsmitteln abhängig. Die Selbsterklärung zum Sortenschutz sei ein weiteres Bürokratiemonster. Schneider forderte die Politik zu einem schnellen Umdenken in der Agrarpolitik auf.
Die Erntesituation im Einzelnen, durchwachsene Getreideernte
Die Wintergerste hat insgesamt durchschnittliche Ernteergebnisse erzielt. Gegenüber den guten Erträgen des Vorjahres werden dennoch geringere Erträge um 10 bis maximal 15 Prozent erwartet. Die Ähren entwickelten sich teilweise kümmerlich. Dort, wo Behandlungen gegen Halm- und Ährenkrankheiten sowie Blattkrankheiten durchgeführt wurden, konnten auch höhere Erträge eingefahren werden. Aktuell sind Preise um 140 bis 150 Euro die Tonne zu niedrig. Gute Ergebnisse lagen insgesamt bei der Winterbraugerste vor. Die Qualitäten inklusive Eiweißgehalte sind tolerabel. Preise von knapp 200 Euro pro Tonne sind aber für die Braugerste ebenfalls recht niedrig. Insgesamt wird die Wintergerste auf mittlerweile ca. 45.000 ha angebaut. Dies entsprecht über 10 Prozent der Ackerfläche in Rheinland-Pfalz.
Bei der früh gesäten Sommerbraugerste wurden bereits gute Mengen und Qualitäten geerntet. Die spät gesäte Gerste litt jedoch unter Staunässe, wodurch die Jungpflanzen kaum bestockten. Folglich sind geringere Erträge zu erwarten, obwohl eine gewisse Kompensation durch die Ährenbildung möglich ist. Die aktuellen Preise für Sommerbraugerste von etwa 240 Euro pro Tonne lassen allerdings noch Spielraum nach oben.
Mit knapp 100.000 Hektar ist der im Herbst ausgesäte Weizen immer noch die Ackerfrucht Nummer eins. Je nach Region sind Ernteerträge von 6 bis 10 Tonnen pro Hektar zu erwarten. Die offizielle Ernteschätzung liegt bei 7,5 Tonnen und ist relativ niedrig. Dies liegt vor allem an den örtlichen Starkregenereignissen, die die Bestände teilweise ins Lager gezwungen haben. Der Einsatz von Halmverkürzern war in dieser Situation vorteilhaft. Die so behandelten Kulturen waren stabiler und hatten am Ende einen deutlichen Qualitätsvorteil. In manchen Regionen ist hingegen der Weizen nur noch als Futter nutzbar. Der andauernde Regen hat vielerorts die Backeigenschaften verschlechtert, sodass dieser kaum mehr von den Mühlen nachgefragt wird. Die Preise für Backweizen bewegen sich um 180 Euro die Tonne. Die stark schwankenden Preise sind Folge verschiedener Meldungen aus Osteuropa, die der Spekulation Tür und Tor öffnen.
Raps zeigt sich insgesamt erfreulich
Überraschend positiv hat sich der Raps überall dort entwickelt, wo ihm der Schneefall im April nicht geschadet hat. Zwar wachsen die Erträge nicht „in den Himmel“, Erträge bis zu 4 Tonnen pro Hektar werden aber durchaus erzielt. In den Mittelgebirgslagen können noch über 3 Tonnen pro Hektar geerntet werden. Auch die Ölgehalte über 42 Prozent sind überraschend zufriedenstellend. Die Preise schwanken und bewegen sich aktuell um die 430 Euro pro Tonne.
Viel Futter, durchwachsene Qualitäten
Erfreulich ist die Entwicklung im Futterbereich. Der Mais entwickelt sich im Augenblick weitgehend gut. Regen und warme Temperaturen kommen ihm entgegen. Zwar gilt es noch die kommenden Wochen abzuwarten, aber auch mögliche Trockenphasen werden dem Mais wohl keine Probleme mehr bereiten.
Wenn der erste Grassilageschnitt im April durchgeführt wurde, sind Menge und Qualität insgesamt erfreulich. Ein zweiter Schnitt war wegen des anhaltenden Regens sehr schwierig. Insgesamt mussten die Betriebe „auf Zack sein“ um ein paar trockene Tage für den Heuschnitt nutzen zu können. Verglichen mit den Dürreperioden vergangener Jahre können die viehhaltenden Betriebe aber sowohl von Menge als auch Qualität ihres Futters zufrieden sein.
Sonderkulturen haben unter Extremwetter zu leiden
Ein großes Sorgenkind ist der Weinbau. Für die Winzer war 2024 ein hartes Jahr. Nach einem frühen Austrieb der Reben kam es bereits Ende April zu massiven Frostschäden in den Seitentälern und Höhenlagen an Mosel und Mittelrhein. Viele Weinbaubetriebe haben Schäden bis zu 100 Prozent erlitten. Für weitere Verluste sorgten Hagel, Starkregen und nasskaltes Wetter zur Blüte. Große Probleme haben zudem Pilzkrankheiten infolge der anhaltend nassen Witterung bereitet. Die Herausforderungen im Bereich des Pflanzenschutzes waren sehr groß. Um wenigstens die verbliebenen Trauben noch mit guter Qualität einbringen zu können, hoffen die Winzer nun auf überwiegend trockenes Wetter ohne weitere Extremsituationen.
Auch der Obstbau wurde durch den Frost stark gebeutelt. Im nördlichen Rheinland-Pfalz ist in den Apfelkulturen mit einem Ausfall von ca. 25 Prozent zu rechnen. Ohne durchgeführte Frostschutzmaßnahmen sind Erträge bis höchstens 50 Prozent gegenüber einem frostfreien Jahr realistisch. Erfreulich sind hingegen die Preise, die aufgrund der hohen Frostschäden in Ostdeutschland oder Polen zu erwarten sind. Dies lässt die Betriebe am Ende doch noch auf zufriedenstellende Erlöse hoffen.
Die Süßkirschenernte war insgesamt zufriedenstellend. Frostschäden traten hier nahezu nicht auf, weil die Standorte der Kirschbäume häufig in Nebelstandorten liegen, die vor Frost schützen. Die Preise waren insgesamt erfreulich. Dennoch können die Kirschfrucht- und die Kirschessigfliege immer noch nicht optimal bekämpft werden. Dies ist aktuell nur mit Notfallzulassungen für Pflanzenschutzmittel möglich. Diese lassen aber keine Perspektiven zu. Es ist an der Zeit, effektive Pflanzenschutzmittel gerade im Kirschenanbau zuzulassen.
Bei den Erdbeeren hatten frühe Sorten aufgrund der Frostschäden einzelbetrieblich bis zu 70 Prozent an Schäden erlitten. Die Preise sind zwar zufriedenstellend, aber dafür müssen schließlich auch Erdbeeren vorhanden sein. Durch immer wieder blühende, sog. remontierende Sorten sind nun aber auch im weiteren Verlauf des Sommers vermehrt deutsche Ware auf den Markt gekommen und zu guten Preisen angeboten worden.
Die Preise bei Sonderkulturen müssen den Kosten gegenübergestellt werden. Der Mindestlohn darf nicht politisch so weit erhöht werden, dass die Betriebe ihre Bewirtschaftung einstellen müssen. Hier wurde eine Fehlentwicklung in Gang gesetzt, die die Politik alleine zu vertreten hat. Es ist endlich an der Zeit, die Tarifautonomie wieder zu respektieren.